Taijiquan: Theorie und Praxis

Die Praxis tut mir seit Jahren gesundheitlich und mental sehr gut und die Theorie fasziniert mich außerordentlich, doch wie sehr ich mich auch bemühe, so bleibt mir doch sogar der geringste Erfolg bezüglich Kampfkunst verwehrt. Ich glaube, ich werde es nie kapieren. Ich übe täglich seit Jahren soviel, wie es mir mein Körper erlaubt und lese, sehe, höre bzw. lerne soviel, wie es mir mein Hirn erlaubt und dazu gehört schon auch ein Herz, aber ich werde mir dabei immer nur sicherer, dass ich es wahrscheinlich nie erlernen kann. Am Anfang waren die Formen und Bewegungen, dann das Chi, dann die Theorie und Philosophie, schließlich die Religion und jetzt befürchte ich, dass es nur wenigen möglich ist, Taijiquan zu leben oder tatsächlich zu können und ich nicht dazu gehören werde.
Man kann weder vorgehen wie im Leistungssport, noch wie in der Wissenschaft, trotzdem habe ich viele Bücher mehrmals gelesen und immer verstanden, doch nie hat es funktioniert. Ich versuche mich bei meinem Lehrer und es funktioniert, aber leider nur bei ihm.
Ich denke, dass Theorie und Praxis nirgends soweit divergiert wie bei Taijiquan, obwohl beides gut ist. Manchmal erscheint es mir, als würde Theorie hier überhaupt keinen Sinn machen, aber ich kann es nicht beurteilen, weil ich ja leider nicht Taijiquan kann. Selbst wenn endlich die Lausbubengedanken bezüglich Chi endlich aus dem Kopf sind und mir jede Diskussion darüber völlig egal ist, weil ich meine Lebensenergie ganz genau kenne, nützt mir das gar nichts, denn ich kann nicht darüber bestimmen. Ich kann sie nicht steuern oder “verdammt noch einmal” sinken lassen. Manchmal gelingt es mir zwar, aber dann weiß ich sofort wieder nicht, wie ich es gemacht habe und schon ist alles wieder in der oberen Hälfte meines Körpers. Alles passiert dann wieder langsam (also normal schnell) und mit roher Kraft.
Mein Lehrer demonstriert rohen Krafteinsatz und der Fauststoß sieht wirklich sehr kräftig und schnell aus, aber wenn dann ein lockeres Fajin zum Vergleich folgt, sieht man sofort, dass dies unvergleichbar schneller und wirksamer ist. Ich kenne Techniken, verstehe und übe sie, aber zeige ich sie meinem Lehrer, tue ich mir höchstens weh dabei.
Ach Laotse, wie lange dauert das nur, bis man das Tai im Taijiquan erkennt?

2 Gedanken zu „Taijiquan: Theorie und Praxis“

  1. Hallo Hermann, Danke dir für die netten Worte. Ich sehe es ja positiv und Taijiquan ist mir wirklich eine Bereicherung, die mir in jeder Hinsicht gut tut. Aber es klebt eben die sonderbare Eigenschaft an mir, dass ich mich ständig verbessern möchte und nie zufrieden mit mir selbst bin. Ich sollte diesen Menschen, die mir vor Augen führen, dass meine Bestrebungen zwar löblich sind, aber dass ich deshalb trotzdem noch lange nicht Taijiquan kann eigentlich nur meine Anerkennung und Bewunderung entgegen bringen, da ich aber eben auch nur ein Mensch bin, ist auch ein klein wenig Neid dabei. Der bedeutet aber nur, dass ich es auch gerne können möchte, aber nach langen Bemühungen habe ich nun sehr deutlich erkannt, dass es wirklich sehr ungewiss und sogar eher unwahrscheinlich ist, dass ich Taijiquan wirklich jemals begreifen kann, unabhängig von der Intensität meiner Bemühungen.
    Das ist aber nicht sehr wichtig für mich, da mir Taijiquan auch auf meinem Level Freude macht und ich mich damit fit halten kann.
    Servus und liebe Grüße aus dem sonnigen Wien – wir haben endlich sommerliches Wetter, Helmut

  2. Mach Dir keinen Stress, Hemut. Von 10.000 wird nur einer ein echter Meister, bei uns normal Sterblichen bleibt alles krudes Handwerk! Aber wenn es Deinem Geist und Deinem Körper so gut tut, wie bei mir kein anderes Übungssystem, dann lohnt sich allein dafür der Einsatz.
    Trotzdem bleibt natürlich auch die Aussage vieler anderer, die da meinen, die Kunst des TJQ wäre viel zu aufwendig, um um Effektivät bemühtenLeute auch nur etwas anlocken zu können.
    Take it easy, baby!

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