Meine erste Reflexion zu Taijiquan

Erster Kontakt

Vor geraumer Zeit stolperte ich zufällig über ein Video, welches ich auf Taijiquan 太极拳 – Der vereinfachte Yang Stil mit 24 Formen eingebunden habe. Ich fragte mich damals, was dies wohl für ein anmutiger, graziöser Tanz sein mag. Neugierig und fasziniert sammelte ich Informationen über Taijiquan, innere Kampfkunst, Qigong und Daoismus im Internet, las Bücher dazu und versuchte autodidakt einige Grundübungen zu erlernen.
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Erste Zielsetzung

Bald entschloss ich mich dazu mir einen Meister zu suchen und ich trainiere nun auch in einem Kurs unter vorzüglicher Anleitung.
Mein erstes Ziel habe ich in einem anderen Artikel formuliert:

Ich sehe Taijiquan als Lebensform, -haltung und -einstellung mit dem Ziel, ein hohes Lebensalter bei guter Gesundheit zu erreichen. Den Geist mit dem Körper zu vereinen und die innere Ruhe und Harmonie zu finden und zu stärken.
Den Körper mit dem Geist zu führen in einzelnen Bewegungen und in Gewohnheiten, angstfrei das Leben genießen zu können und in der Pflege und Förderung moralischer, sozialer und menschlicher Werte. Damit meine ich Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe, für sich selbst und andere Menschen Zeit finden statt sich dem Kaufrausch oder medialer Berieselung hin zu geben und die Zeit mit Modeerscheinungen und leeren Ritualen tot zu schlagen. Der Versuchung etwas zu machen, das man eigentlich nicht will, stand zu halten, indem der Geist den Körper führt, wie bei den Formen des Tai Chi Chuan.

Nun beschäftige ich mich seit einiger Zeit aktiv mit Taijiquan, übe und lerne fleißig, sowohl Theorie, als auch praktisch, weshalb es nun an der Zeit ist, mein erstes Ziel zu überdenken und eventuell zu korrigieren, bzw. zu meiner ersten Reflexion zu Taijiquan.
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Meine Erkenntnisse und neue Betrachtungen

Unter den Aspekten von gesunder Lebensweise, Umsetzung philosophischer Erkenntnissen und vor allem dem Aspekt der inneren Kampfkunst, wurden mir einige grundlegende Begriffe neu klar.
Chi und Meridiane
Ich habe mich früher einige Jahre dem Medizinstudium gewidmet und zwar nicht nur, weil ich beabsichtigte kranken Menschen zu helfen, sondern auch aus Interesse am Mensch. In Anatomie und Physiologie (meine damaligen Aufzeichnungen aus Physiologie sind bereits sehr veraltet, aber ich werde sie wieder überarbeiten) habe ich weder vom Chi noch von Meridianen gelernt, was mich natürlich einigermaßen beunruhigte, da beides anscheinend nicht naturwissenschaftlich nachweisbar ist (zumindest in der Form wie es oft in Qigong und Taijiquan beschrieben wird).

Dieses Thema konnte ich aber schnell erledigen und für mich abschließen, da es für mich irrelevant ist, bzw. ist es für mich sogar nötig, dass beides nicht naturwissenschaftlich nachweisbar ist, da ich diesbezüglich an der Umsetzung (kann man sich wie beten in einer Religion vorstellen) einer Philosophie (oder mehreren, denn ich berücksichtige auf jeden Fall auch den Einfluss des Buddhismus) und an einer Kampfkunst interessiert bin. Nicht eines Sportes oder einer Wissenschaft, sondern einer Kunst. Dieser kleine, aber wesentliche Unterschied gibt mir die Freiheit ein Kampfkünstler (wenn ich den einen Aspekt heraus nehme) werden zu wollen. Ich weiß, dass Mozart, Beethoven, Bach und Co. keine Ahnung haben konnten von den Ergebnissen heutiger Tonfrequenzanalysen und trotzdem gibt es vermutlich heute keinen Toningeneur der mir schnell eine Requiem von Beethoven oder Mozart hinlegen (komponieren) könnte.
Bezüglich Chi und Meridiane ist es mir also nur wichtig, dass ich mir beides vorstellen kann, denn damit wird diese Vorstellung zu meinem Werkzeug in der Kunst, der inneren Kampfkunst. Es hilft mir bei dem Ansinnen meine Gedanken zu konzentrieren sich gedanklich im Körper zu bewegen und den Körper zu bewegen, indem ich mir die Bewegungen bewusster mache. Sich der Bewegung bewusster zu werden und sie mit dem Geist (möglichst konzentrierten, sagen wir reinen Gedanken) steuern zu können ist mir das wichtigste und dazu genügt mir meine Vorstellung zu Chi und Meridiane völlig.
Yin – Yang, Spannung – Entspannung, Kontraktion – Dehnung
Die Kontrolle der Gewichtsverlagerung, der Muskelkontraktionen und der Spannungen ist ein wesentliches Grundprinzip in Taijiquan.
Die Kontraktion eines Muskels (hauptsächlich der willkürlich gesteuerten Muskulatur) ist messbar und fühlbar, also introspektiv erfassbar, aber unmöglich exakt bestimmbar (ohne Laborbedingungen).
Ich spreche von einem einzigen Muskel und bekanntlich sind schon Beuger und Strecker nötig um in einfachsten idealisierten Paradigma die Stellung zweier Knochen zueinander zu verändern.
Der Mensch hat aber etwa 600 Muskeln und von der Komplexität der Synergien beim aufrechten Gang des Menschen schwärme ich auf Physiologie für Biologen und Mediziner – medic Art bearbeitet Prüfungsfragen aus Wien oft genug (besonders hervorheben möchte ich dabei die Fragen Reflexe, Muskulatur, Motorik).
Wenn mir nun jemand behauptet, er kann willkürlich jeden Muskel entspannen (wobei die Ruhespannung bzw. -dehnung beachtet werden muss) und ich sehe von der Subjektivität der Introspektion einmal ab, dann gehört er wahrscheinlich schon zu den unsterblichen Taijiquan Meistern, oder er hat keine Ahnung wieviele Muskeln er hat.
Wenn mir nun aber jemand sagt er kennt zusätzlich, unter Berücksichtigung des Ruhetonus, den genauen Zustand des geringsten Kraftaufwandes, um nur einen einzigen Beuger und Strecker in einer bestimmtn Spannung zu halten, sodass ein Knochen in eine bestimmte Richtung schaut, dann muss es der Meister des vorhin erwähnten Unsterblichen sein.
Eine unbeschreibliche Faszination erfasst mich, wenn ich daran denke, dass es unter anderem ein unerreichbares Ziel ist, mit dem geringst möglichen Kraftaufwand, möglichst entspannt in der Grundhaltung zu stehen. Natürlich muss dazu schon aus statischen Gründen die Wirbelsäule möglichst gerade werden, also nicht nur, um den Energiefluss besser zu ermöglichen, …
In Bewegung oder vielmehr durch die kontrollierte Bewegung wird es eher möglich den jeweiligen Zustand der Muskulatur zu erfassen, aber ich denke, dass ein Leben viel zu kurz ist, selbst wenn man täglich mehrmals übt und trainiert, um hier je einen Grad erreichen zu können, wo man behaupten kann: “Besser ist es nicht mehr möglich!”
Das ist Kunst, das ist Philosophie, das ist für mich ein neuer Aspekt von Taijiquan, der meine frühere Meinung verstärkt, Taijiquan kann man nicht nur machen, ausführen, erlernen, usw., sondern Taijiquan kann man auch leben.
Ich leider noch recht schlecht, aber deshalb überdenke ich ja gerade mein Ziel und berücksichtige meine letzten Erfahrungen und Erkenntnisse.
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Neues Ziel, Motivation

Ich bin mit meiner ersten Zielsetzung eigentlich ganz zufrieden und denke, dass ich natürlich noch immer ein sehr triebgesteuertes, suchtgesteuertes, fremdgesteuertes, usw. Leben führe und mein Schweinehund nach wie vor das sagen hat. Außerdem werden mir die meisten Handlungen die ich an einem Tag so gewohnheitsmäßig vollbringe (automatisch ablaufen lasse) kaum bewusst und ich lese beim Essen immer noch Zeitung und denke beim Gehen immer noch über meine nächste Aufgabe, oder eine hübsche Frau nach, aber ich sehe auch schon einen kleinen Lichtblick am Horizont, der diese graue Suppe meiner Gedanken ein wenig erhellt. Immerhin kann ich mich schon auf einige kleine Bewegungsabläufe im Taijiquan konzentrieren und mir dabei dieser Bewegung bewusst sein. Wäre ich ein kleiner Junge, würde ich vermutlich sagen: “Wenn ich einmal groß bin werder ich Taijiquan leben”.
Die Zielsetzung enthält auch schon eine gewisse Erwartung, die ich noch ergänzen möchte. Ich erwarte mir von dieser inneren Kampfkunst nicht nur das ich mit klarem Gedanken meinen Körper gut und bewusst steuern kann, sondern umgekehrt in späterer Folge auch eine positive Rückwirkung vom Körper auf meinen Geist, meine Gedanken und Gefühle.
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