Vom Wújí zum Tàijí


“Vom Wújí zum Tàijí” klingt total geschwollen, bedenke ich, was ich mir eigentlich notieren möchte. Ich habe in diversen Taijiquan- und Qigong-Kursen schon mehrere Anekdoten gehört, die vom Übergang Wújí zu Tàijí handeln. Ich erinnere mich gerade an eine, die ich auf diesen Notizblog sicher schon erwähnte. Ein Taijiquan-Lehrer (Yang Stil oder ein Derivat davon) erklärte uns, dass die eigene Eröffnung ausgehend von V-förmig aneinander liegenden Füßen (kommt sonst in Taijiquan nicht vor) diesen Übergang symbolisiere. Wie dem auch sei, ich möchte mir jetzt eigentlich nur ein Problem notieren, das ich im Chen Stil seit langer Zeit mit mir herum schleppe. Ich habe es auch schon in anderen Artikeln anklingen lassen, aber jetzt will ich es kurz formulieren, damit ich es endlich auf den Tisch bringe, sobald mein Lehrer wieder aus Chenjiagou zurück ist.

Kann er es mir erklären, ist es gut, sonst betrachte ich es zukünftig einfach als meinen Übergang vom Wújí zum Tàijí .

Kurze Zusammenfassung für Nicht-Chen-Stil-Taijiler:

Chen Stil hat die “stehende Säule” als Grundlage. Die dort gewonnene Struktur soll mit den “Seidenfadenübungen” in die Bewegung hinein mitgenommen werden. Dabei sind vor allem bestimmte Energie-Prinzipien, das Yin-Yang-Prizip und die 13 Grundtechniken des Taijiquan zu beachten.
Die Figuren (Bilder) sind dann teilweise ganz einfach und manchmal etwas komplexer aus den Seidenfandenübungen zusammen gesetzt, möchte ich grob vereinfacht sagen. Eine Form besteht schließlich aus Figuren.

Zur Erklärung meines Problems brauche ich a) die einfache Yang-Kreis Seidenfadenübung und b) den Beginn der Chen Stil Faustformen, nach der Vorbereitung.

ad a) Man steht “aufrecht” (will ich jetzt nicht näher erklären) mit geschlossenen Beinen und seitlich herabhängenden Armen in der Grundposition. Die rechte Hand (für die einfache, einhändige Seidenfadenübung rechts) wird seitlich waagrecht vom Körper gestreckt (natürlich nie ganz durchgestreckt). Gewicht auf linkes Bein die rechte Ferse anheben und die rechte Hand nach unten führen; es erfolgt ein leerer Schritt nach rechts und die rechte Hand wird zum Körper geführt.
Das Gewicht ist jetzt links und die rechte Hand vor dem Bauch (die linke wird in die Hüfte gestemmt). Nun beginnt die eigentliche Übung.
Teil 1: Die Hand (Handfläche zeigt nach oben) wird vom Zentrum aus mit leichter Linksdrehung des Körpers aus den Hüften nach links oben geführt, die Energie steigt vom Dantian die Wirbelsäule hoch zu der Schulter – entfernt sich vom Zentrum (innerer Wechsel, einatmen) Yin wird zu Yang. Im Zentrum kommt es zu einer Drehung im Dantian die mit einer Winde vergleichbar ist (einem Aufwickeln des Seidenfadens) die sich auf die Hüften auswirkt und die leichte Linksdrehung wird ausgeglichen mit einer leichten Rechtsdrehung, sodass die Hüften wieder genau mit den Beinen und dem gesamten Körper eine frontale Ebene bilden. Durch diese Drehung rotiert die Hand über den Daumen, sodass nun der Handrücken nach oben zeigt.
Teil 2: Gewichtsverlagerung vom linken Bein zum rechten. Die rechte Hand wird vor dem Körper mitgeführt und kommt so rechts vor den Körper. Die Energie geht von der Schulter über den Arm bis in die Fingerspitzen – vom Körper weg (äußerer Wechsel; maximales Yang, einatmen).
Teil 3: Im Zentrum (Dantian) und den Hüften passiert das Gegenteil von Teil 1 und die Hand rotiert über den kleinen Finger; die Energie wechselt nun zur Rückkehr zum Zentrum, also Yin (ausatmen; innerer Wechsel) über den Arm zurück bis zur Hüfte, die Hand senkt sich.
Teil 4: Vollständiges Yin wird erreicht, das Gewicht wird vom rechten Bein auf das linke verlagert und die rechte Hand vor den Körper gebracht.

Irgendwo habe ich das hier schon genauer beschrieben, aber es geht mir nur um die Position 2. Ach ich hätte die linke Seite zum Vergleich nehmen sollen, aber das ist ja ohnehin das gleiche Spiel nur eben links.

ad b) Nach der Vorbereitung sinkt man in das rechte Bein und die Hände kommen vor die linke Schulter. Näheres siehe unter Buddhas Wächter stampft mit dem Stößel

Wenn ich jetzt die zwei Positionen vergleiche sehe ich die selbe Hand- und Armhaltung, aber das Gewicht ist in der Form auf den “falschen” Fuß.

Dieses Problem habe ich nur an der Stelle von der Vorbereitung zu der nächsten Figur, denn wenn ich während der Form irgendwann in diese Position komme, kann ich das immer ganz genau mit einer Seidenfadenübung nachvollziehen.

Das Sinken ins rechte Bein mit gleichzeitigen Anheben der Arme nach links oben kann ich aber einfach nicht nachvollziehen, außer ich stelle mir ganz seltsame Variationen und Kombinationen vom kleinen und großen Seidenfäden vor, die aber sonst auch nirgends nötig sind, um in diese Position zu gelangen.

Hat da vielleicht jemand eine Erklärung, sonst warte ich auf die Rückkehr meines Lehrers und wenn es der auch nicht weiß, dann ist und bleibt das eben mein Übergang vom Wújí zum Tàijí, da dieses Phänomen ja nur immer am Anfang einer Form vorkommt.

6 Gedanken zu „Vom Wújí zum Tàijí“

  1. Pingback: 1.) Vorbereitung – 预备式 (yùbèi shì)
  2. “Schließlich lernt er im Dorf” ist ja ganz schön zynisch, aber wirklich treffend. LOL Aber bezüglich Zynismus nehme ich es gerne mit jeden auf. Ich spitze also die Feder (heute könnte man sagen, ich staube schnell meine Tastatur ab) und meine: “Meine Lehrer kamen alle vom Wuji ins Taiji und am Ende einer Form leider wieder zurück ins Wuji (Chaos). Wenn ich aber einmal groß, alt, weise und perfekt bin, dann bleibe ich im (am) Taiji und betrachte von dort aus die kläglichen Versuche meiner Meister ins Wuji zurück zu kommen, obsohl sie eigentlich schon immer dort waren.” 😉

  3. Erklären sollte das wirklich Dein Lehrer, hands-on.
    Aber eins zur Theorie der chin. Philosophie, Bereich Onthologie:
    Wuji ist der A-Priori-Zustand, vor der Seinswerdnung, zu dem man vielleicht irgendwann, irgendwie wieder zurück gelangt.
    Taiji entsprechend also der A-Posteriori-Zustand, nach der Seinswerdung, in der wir verfangen ist.
    Im Taijiquan, wo die Philosophie ziemlich erzwungen aufgepfropft wurde, bedeutet das eine den eher meditativen Übungsbereich, ins eigene Innere hinein. Das andere steht für die Anwendung nach außen hin.
    Übersetzt müsste man eh besser sagen: Das Wuji, dann das Taiji.
    Was es für Dich in Deiner Arbeit an der Form bedeuten kann, wird Dein Lehrer sicher gut wissen, schließlich lernt er im Dorf, lol!

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