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Sklaven der Gegenwart und push hands

Ich mache mir wieder einmal Gedanken über die Freiheit und unser Skalvendasein. Ich spreche hier nicht über Sklaven im ursprünglichen Sinn, sondern von Skalven des Systems, Skalven der Technik, Sklaven der Hormone, Skalven der Zeit und der Ideologien und Religionen. Sklaven der Politik, Skalven der Konsumwirtschaft und vor allem von Sklaven ihrer selbst. Ich befürchte, dass sich die meisten Menschen selbst versklaven statt sich zu emanzipieren und befreien und finde als Ausweg nur die Reduzierung im Sinne von Verzicht. Man/frau kann niemals alles erreichen im Leben was sie gerne ereichen möchten, aber wenn sie nichts mehr erreichen möchten, dann haben sie schon alles erreicht. Dort beginnt die Freiheit. Dort werden aus Skalven die gefährlich sind, weil sie sich von ihren Ketten befreien möchten, Menschen, die ungefährlich, also friedlich sind. Freie Menschen die dir nichts nehmen wollen und die dir nichts aufzwingen wollen. Menschen, die ohne jede Absicht und Hintergedanken mit dir kommunizieren können und dir ein Spiegel sein können, der nichts verzerrt.
Wenn jemand so ein freier Mensch sein möchte, dann würde ich ihn gerne kennen lernen und push hands (tui shou, klebende Hände) mit ihm üben.
Keine Absicht zu gewinnen und auch keine zu verlieren, sondern nur einfach erkennen wollen. Alles erkennen (wirklich erfassen) wollen, sich selbst in dieses Ganze eingebettet sehen und agieren und reagieren, wie es das große Ganze, also die Natur, die Gesetze der Welt und des Universums verlangen.
So großartig, unmöglich fast größenwahnsinnig wie das klingen mag, so einfach ist es meiner Meinung nach. Es ist unglaublich einfach, man muss sich nur von der Herrschaft des Großhirns und der Erinnerungen befreien können. Ich könnte statt der Formulierung oben auch schreiben: „nicht denken befreid von jeder Herrschaft“. Wenn jemand also wenigstens einmal für Minuten oder später auch Stunden nicht denken möchte, kann er sich gerne mit mir eine Zeit für push hands auf einer Praterwiese ausmachen. Stil, Formen und Routinen sind mir dabei übrigens völlig egal, solange es nicht so kompliziert wird, dass ich dabei denken muss.

Kurzer Gedanke zu Tui Shou

Heute schreibe ich mir kurz auf, was ich in letzter Zeit beim push hands beobachtete. Ursprünglich lernte ich fast ausschließlich in vertikalen Halbkreisen Kraft im Bein aufzunehmen und abzugeben; also Kraftsteuerung in beide Richtungen (in und aus dem Boden) über ein Kippen des Beckens. Nun wird in einer anderen Schule vorwiegend mit horizontaler Rotation des Beckens gearbeitet. Alle anderen Prinzipen bleiben gleich, auch das Öffnen und Schließen der Hüftgelenke, nur bei A ist das Hauptaugenmerk eben auf das vertikale Kippen und bei B auf die horizontale Rotation des Beckens ausgerichtet und trotzdem hat sich seither für mich vieles geändert. Früher hatte ich in der Gruppe A nur eine einzige Option, ich konnte in das Verlieren investieren. Eine andere Möglichkeit gab es für mich nicht, denn wenn mich jemand (insbesondere natürlich der Lehrer) berührte, war der Boden unter meinen Füßen weg und damit war es völlig egal, was ich auch immer in der Folge anstellen wollte, ich war ohne jede Chance. Es hat mich nicht gestört, denn ich wollte ja in das Verlieren investieren, aber trotzdem freue ich mich darüber, dass ich inzwischen auch schon eine andere Option hätte und dies manchmal auch kurz andeute.
In Gruppe B stelle ich mich immer an, als würde ich gerade das erste mal etwas von push hands hören, solange ich nach ihren Regeln nur horizontale Halbkreise benutze. Teste ich den vertikalen Weg, hält man es schon für eine Anwendung, oder für eine unfaire, falsche Ausführung, weshalb ich es nur ab und zu kurz vorsichtig probiere. Dabei merke ich, dass es sehr zielführend wäre.
Ich lese gerade, nicht taijiquan-konform, mehrere Bücher gleichzeitig, eines davon ist „Schiebende Hände: Die kämpferische Seite des Taijiquan“ von Jan Silberstorff und bin fasziniert und begeistert von dem Buch. Leider bin ich als Anfänger noch nicht so weit, alle Prinzipien und Kräfte verstehen, geschweige denn, anwenden zu können, aber es verblüfft mich immer öfter, dass ich die Kraft des Partners aufnehmen kann und sie dann mühelos ohne mein Zutun zurückgeben kann. Die Kraft des Partners an meinem Zentrum so vorbei zu führen, dass er/sie es erst merkt, wenn es bereits zu spät ist (er dabei selbst aus dem Gleichgewicht kommt) gelingt mir nicht so leicht, denn dafür fehlt es mir noch an Sensibilität und Gelassenheit. Angespannt versuche ich die Absicht des Partners zu erkennen bevor er eine Aktion startet. Und genau diese hohe Konzentration, dieses ehrgeizige Bemühen verhindert, dass es mir gelingen kann. Es führt lediglich zu Verspannungen, aber warum vergesse ich das nur immer wieder? Ich wollte doch beim nächsten mal „Tui Shou üben, als ob niemand da wäre, und die Form, als ob jemand da wäre“. Gut, also dann vielleicht beim nächsten mal. 😉