Buchbesprechungsnotiz: Forschungsmethoden der Psychologie

Ich halte dieses Buch „Forschungsmethoden der Psychologie, von Karl-Heinz Renner, Timo Heydasch und Gerhard Ströhnlein“ für eine ausgezeichnet gelungene Einführung in die Methoden empirischer Wissenschaften, die besonders für Menschen wie mich, die aus ganz anderen Bereichen kommen (ich habe mich bisher hauptsächlich mit Medizin bzw. Humanbiologie und Informatik bzw. Programmieren beschäftigt) geeignet ist, um einen ersten Ein- und Überblick zu bekommen. Es ist gut lesbar und zeichnet sich durch ein klares Konzept aus. Ich glaube, was die Autoren vermitteln wollen, kann leicht und schnell verstanden werden. Ich finde es bemerkenswert, dass der Autor völlig ohne die Begriffe „De- und Induktion“ auskommt und Falsifikation“ nur kurz erwähnt wird. Der Schreibstil gefällt mir persönlich weniger, aber das ist Geschmackssache. Wörter wie „Zitationen“, deren erste Bedeutung veraltet ist oder „item“ statt „Punkt“, gefallen mir einfach nicht und Denglisch bzw. Germnish mag ich ja überhaupt nicht, obwohl ich diesen Modetrend längst akzeptiert habe. Es mag Vorteile haben und es ist in vielen Sprachkulturen bereits üblich. Vielleicht kommt in absehbarer Zeit dadurch eine internationales Sprachgemisch heraus, dass jeder versteht, ohne eine Fremdsprache lernen zu müssen. Mir gefällt es auch in der Fachliteratur nicht, aber das ist eine rein persönliche Vorliebe. Würde Goethe oder Schiller heute seine Werke unverändert veröffentlichen, dann gefiel mir ihr Deutsch übrigens auch nicht. Ich werde hier das Inhaltsverzeichnis zitieren und ein wenig auf die Kapitel 1, 2, 4, 5 und 6 eingehen und mir zu den übrigen Kapitel nur ein paar Stichworte notieren.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort und Übersicht
1 Warum Methodenlehre in der Psychologie?
1.1 Fehler der Altagspsychologie
1.2 Psychologie als Wissenschaft
1.3 Was gewinnen wir durch den Einsatz wissenschaftlicher Methoden in der Psychologie?
2 Idealtypischer Ablauf einer empirischen Untersuchung
2.1 Wahl einer Forschungsfragestellung
2.2 Theoretische Einbettung und Ableitung von Hypothesen
2.3 Operationalisierung und Untersuchungsplanung
2.4 Durchführung der Untersuchung und Datenerhebung
2.5 Datenanalyse und Hypothesenprüfung
2.6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse
2.7 Präsentation und Puplikation
3 Grundlagen des Messens und Testens in der Psychologie
3.1 Messen
3.2 Skalenniveaus
3.3 Gütekriterien des Mess11ens und Testens
3.4 Datenquellen und Erhebungsmethoden
4 Experimentelle Designs in der Psychologie
4.1 Was ist ein Experiment?
4.1.1 Zwei exemplarische Studien
4.1.2 Grundbegriffe und Varianten
4.2 Validitätskriterien in experimentellen Untersuchungen
4.3 Interne Validität: Störvariablen und Kontrolltechniken
4.3.1 Versuchspersonen-Merkmale als Störvariablen
4.3.2 Versuchsleiter-Merkmale als Störvariablen
4.3.3 Situationsbezogene Störvariablen
5 Korrelationsforschung
5.1 Bivariate Zusammenhänge
5.2 Multivariate Zusammenhänge
5.2.1 Mehrere Prädikatoren und eine Kriteriumsvariable
5.2.2 Untersuchung von Moderator- und Mediatorhypothesen
5.2.3 Faktorielle Zusammenhänge
5.3 Pfadanalysen und Strukturgleichungsmodelle
6 Einzelfallstudien
6.1 Was sagen gruppenstatistische Kennwerte über den Einzelfall aus?
6.2 Indikationen für Einzelfallstudien
6.3 Quantitative und qualitative Einzelfallstudie
7 Publizieren und Präsentieren
7.1 Publikationen
7.1.1 Der Impact Factor
7.1.2 Qualifikationsarbeiten
7.1.3 Standards und Richtlinien
7.1.4 Eine Frage des Stils
7.1.5 Schreibblockaden und Schreibübungen
7.2 Der Vortrag
7.2.1 Der wissenschaftliche Vortrag
7.2.2 Das Vortragen
7.3 Poster und Poster Sessions
8 Ethische und rechtliche Aspekte psychologischer Forschung
8.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen
8.2 Ethische Richtlinien der DGPs und des BDP
8.3 Regeln guter wissenschaftlicher Praxis
Literaturverzeichnis
Sachwortverzeichnis
Kapitel 1
Wissenschaftliche Psychologie – weniger fehlerbehaftet als Alltagspsychologie; systematischer Einsatz von Methoden; Theorien, Vorhersagen die wiederum mit bestimmten Methoden geprüft werden.
Mehrdeutiger und ungenauer Sprachgebrauch in der Alltagspsychologie; (Beispiel aus der KI „Der Wodka ist gut, aber das Steak ist lausig“ – naja, mein Heli-Bot kann es besser 😉 ). Müller-Lyer Täuschung, als Beispiel für alltagspsychologische Fehler der Wahrnehmung, Erinnern und Denken. Es wird die Seite 57 Optische Täuschungen & Sehphänomene erwähnt.
Primacy und Recency-Effekt, Urteilsverzerrung aufgrund der Reihenfolge; Solomon Asch, Das Asch-Paradigma der Eindrucksbildung (Wikipedia) Zitat:

Charakteristika/Adjektive:
Person A ist geschickt, fleißig, freundlich, entschlossen, praktisch, vorsichtig.
Person B ist geschickt, fleißig, kalt, entschlossen, praktisch, vorsichtig.
Person A wurde aufgrund der genannten Charakteristika in den Aufsätzen der Versuchsperson und auch ihren Einschätzungen bezüglich anderer Charakteristiken der Personen wurden die Personen sehr unterschiedlich eingeschätzt. Zum Beispiel wurde Person A von den meisten als großzügig eingeschätzt, Person B eher nicht. Der Austausch von freundlich durch kalt hat offensichtlich diesen Effekt hervorgerufen. In diesem Experiment erwiesen sich die Eigenschaften freundlich (im Original: warm) und kalt als zentral. Aber freundlich und kalt erwiesen sich als nicht immer zentral. Auch die Eigenschaften selbst wurden in verschiedenen Zusammenhängen völlig anders gedeutet. Freundlich bedeutete in der Kombination mit gehorsam, schwach, oberflächlich, warm, wenig ehrgeizig, eitel etwas anderes als in den oben genannten Kombinationen. Daraus schließt Asch, dass der Gesamteindruck von einer Person sich nicht aus der Summe der einzelnen zur Verfügung stehenden Informationen bzw. Merkmale erklären lässt. Der Gesamteindruck ist also mehr als die Summe der einzelnen Teile.
Der erste Eindruck
Darüber hinaus fand Asch heraus, dass die zuerst gegebenen Informationen über eine Person als Grundlage für die Einordnung der nachfolgenden Informationen dienen.

Fehler bei Wahrscheinlichkeiten in der Alltagspsycholgie; Es wird Gerd Gigerenzer zitiert und dieses Zitat möchte ich hier auch einbringen. Zitat (Gigerenzer, 2002, S. 176):

Ungefähr 0,01 Prozent der Männer, von denen kein riskantes Verhalten [z.B. Drogenabhängigkeit] bekannt ist, sind mit HIV infiziert (Grundanteil). Wenn einer dieser Männer das Virus in sich hat, beträgt die Wahrscheinlichkeit 99.9 Prozent, dass der Test positiv ausfällt (Sensitivität). Wenn der Betreffende nicht infiziert ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit 99,99 Prozent, das der Test bei ihm negativ ausfällt (Spezifität).

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, das ein Mann, der keiner Risikogruppe angehört, tatsächlich mit HIV infiziert ist, wenn das Testergebnis positiv ausfällt?, wird dann in dem Buch gefragt.
Es ist nicht wie zu erwarten sehr hoch, sondern wegen der bedingten Wahrscheinlichkeit etwa nur bei 50 Prozent.
Das Geburtstagsparadoxon und das Ziegen-Problem (Youtube) wird erwähnt.

Unzureichende Prüfung alltagspsychologischer Vermutungen, Suggestivfragen, Rosenthal-Effekt.
Methoden der Psychologie als Wissenschaft, Theorie, Hypothese, empirische Prüfung; Datenerhebung (Beobachtung, Befragung, standardisierte Tests, …) Methoden zur Datenauswertung (beschreibende und schließende Statistik , Inhaltsanalyse, … );
Anmerkung: eigentlich nur schließende Statistik (Inferenzstatistik), denn die beschreibende dient eher der Datenerhebung. Methoden zur Generierung von Hypothesen; Heuristik. Begriffe einer Theorie durch Explikations- und Definitionsmethoden festgelegt; latente Varialblen, Falsifikation.
Was bringt der Einsatz wissenschaftlicher Methoden? –
Hier fällt mir die Bescheidenheit auf, wenn wieder mit Bezug auf Gerd Gigerenzers „Bauchentscheidungen“ (2007) geschrieben wird, dass intuitive Entscheidungen im Alltag im Alltag unter bestimmten Voraussetzungen sogar zu besseren Entscheidungen führen, als ein systematisches Abwägen aller Informationen. Aber auch da können wissenschaftliche Methoden der Psychologie weiter nützlich sein, um festzustellen unter welchen Voraussetzungen solche Bauchentscheidungen gute Entscheidungen sind.
Unter neues Wissen durch wissenschaftliche Methoden wird die funktionelle Magnetresonanztomographie als neuropsychologische Methode genannt, was mich ein wenig verwirrt, da ich die MRT nur aus der Medizin kenne und was hier den „Neuropsychologen“ zugeschrieben wird, hätte ich bis dato als Aufgabe der Neurologen und Neurophysiologen gehalten. Es überrascht mich angenehm, dass moderne Psychologie auch in diesem Bereich (in der Aufbereitung und Verarbeitung von Daten war es mir klar) moderne Technologie nutzt. Bevor im ersten Kapitel schließlich festgestellt wird, dass der Umgang mit wissenschaftlichen Methoden erlernt und geübt werden muss, wird in einem Absatz noch Forschungsmethoden versus Interventionsmethoden angesprochen. Bei den Interventionsmethoden der klinischen Psychologie geht es nicht darum die Wissenschaftlichkeit von Aussagen zu zu sichern, sondern um bestimmte Wirkungen zu erzielen.
Kapitel 2

Zitiere die angeführten Punkte zum idealtypischen Ablauf einer empirischen Untersuchung:

  1. Wahl einer Forschungsfragestellung
  2. Theoretische Einbettung und Ableitung von Hypothesen
  3. Operationalisierung und Untersuchungsplanung
  4. Durchführung der Untersuchung und Datenerhebung
  5. Datenaufbereitung und Datenanalyse
  6. Interpretation und Diskussion
  7. Publikation und Präsentation

ad 1) Praxis – Auftrag, Gutachten, Evaluation einer Interventionsmaßnahme; Forschung – Auswahl des Forschungsthemas, Interesse, Verfügbarkeit von Ressourcen, …
In einem Exkurs zu Heuristik zur Gewinnung von Theorien und Hypothesen, McGuire (1997) genannt, der 49 Heuristiken zur Gewinnung von neuen Hypothesen zusammengestellt hat – CREATIVEHYPOTHESIS GENERATING INPSYCHOLOGY: SomeUsefulHeuristics (pdf).
Theoriebasierte Exploration, Forschungstagebuch, Gedankenexperiment – z. B. die Kausalitätsrichtung umdrehen, (Konsum Computerspiele erhöte Aggresivität – Aggressivität erhöht Konsum), Dissonanztheorie Leon Feistinger (1957), Analogiebildung; Tools to Theories heuristik dazu ein Zitat aus einem pdf H E U R I S T I K E N ZUR GENERIERUNG VON THEORIEN UND HYPOTHESEN (der Autor wird leider nicht genannt):

Tools-to-Theories-Heuristik
Hier geht es um einen Analogieschluss oder eine metaphorische Übertragung eines wissenschaftlichen Werkzeugs
(Computer) auf eine wissenschaftliche Fragestellung (Wie funktioniert Denken?) Die Theorie würde dann z.B. heißen, dass
der Mensch ein informationsverarbeitendes System ist.

ad 2) Hier notiere ich mir nur die 2 angeführten Datenbanken für die Literaturrecherche, PsycINFO und PSYINDEX und weise auf die, nach Bortz und Döring bzw. Bortz und Schuster 4 verschiedenen Hypothesen hin, die hier angeführt sind: Unterschiedshypothesen, Zusammenhangshypothesen, Veränderungshypothesen sowie Hypothesen in Einzelfall-Untersuchungen.
ad 3) Menge der Operationalisierungsmöglichkeiten einer Theorie oder Hypothese – empirischer Gehalt; etablierte diagnostische Verfahren; Hogrefe TestSystem Version 4 (Das Hogrefe TestSystem (HTS) bietet mit 300 psychodiagnostischen Testverfahren das umfangreichste Angebot an computergestützten Verfahren im deutschen Sprachraum). Forschungsansatz, experimentelle Designs, Korrelationsforschung und Einzelfallstudie. Zu beachtende Aspekte:
Probanden – Gelegenheitsstichproben, Stichproben
Treatment – nicht nur Behandlungen, sondern auch Reizkonstellationen, situative Bedingungen
Setting – Ort bzw. Kontext der Untersuchung
Zeitlicher Ablauf – Zeitpunkt der Datenerhebung
ad 4) Pretests, Aspekte:
Vorbereitung der Versuchsräume, Material, Hilfsmittel; Schulungen der Durchführenden; Beachtung und Dokumentation von Störvariablen; Supervison Trainer, Therapeuten
ad 5) Codierung, Datenaufbereitung, -bereinigung, fehlende Werte, MCAR-Test Youtube Video SPSS und ein pdf „Behandlung fehlender Daten“ von Lars Rohrschneider, Skalenwerte
Es folgt ein Exkurs: Was ist Statistik, auf den ich hier nicht eingehe.
ad 6) Nullhypothese, Erwartungen, Vergleich; Vorschläge
ad 7) Empirische Befunde; Wissenschaft als Prozess – Wissen generieren, diskutieren, vergleichen, kritisieren, verwerfen; publish or perish; Gutachten – Dokumentation.
Kapitel 3
Weber-Fechner Gesetz (siehe dazu auch 27) * Physiologie des Hörens und 30) * Physiologie des Sehens), Güte einer Messung (Objektivität, Reliabilität, Validität), Klassische Testtheorie
Messen – numerisches und empirisches Relativ; Repräsentationsproblem, Eindeutigkeitsproblem, Beteutsamkeitsproblem.
Skalenniveaus – es wird ein Überblick über folgende Skalen gegeben: Nominal-, Ordinal-, Intervall-, Verhältnis- und Absolutskala, bevor die erwähnten Gütekriterien des Messens und Testens genauer betrachtet werden.
Unter dem Punkt Datenquellen und Erhebungsmethoden wird die psychologische Diagnostik erwähnt und dann geht es um Verhaltensbeobachtung, Selbstbeobachtung, reduktive Deskriptionen, Indexsystem und Kategoriesystem. Verhaltensbeurteilung, Interview, Fragebogen, objektive Tests und psychophysiologische Diagnostik.
Kapitel 4
Unter Design versteht man hier den Plan der meist experimentellen Untersuchung. Es wird festgelegt (Zitat):

  • wer untersucht wird
  • ob die Teilnehmer in Gruppen eingeteilt werden, …
  • wie der Versuchsleiter in die Untersuchungssituation eingreift … und
  • in welcher zeitlichen Abfolge bestimmte Maßnahmen zur Messung bei den Teilnehmern im Verlauf der Untersuchung vorgenommen werden (Sedlmeier & Renkewitz 2008, S. 124; Gliederungspunkte durch die Autoren).

“ Zitat Ende.

Im Versuchsplan (Design) sollen Bedingungen und Schritte der empirischen Untersuchung festgelegt werden. Die Hypothesen wurde schon vorher, vor dem Hintergrund von Theorien oder Heuristiken generiert.
Zu „Was ist ein Experiment?“ notiere ich mir, dass der Autor hier mit Bezug auf Huber (2009, S 69) schreibt:

Zitat: „

  1. Der Experimentator variiert systematisch mindestens eine Variable und registriert, welchen Effekt diese aktive Veränderung bewirkt.
  2. Gleichzeitig schaltet er die Wirkung von anderen Varablen aus (mit einer der Techniken zur Kontrolle von Störvariablen).

“ Zitat Ende.

Dann folgen zwei erfrischende exemplarische Studien: „zitro“ oder „pfeffi“?
Im Punkt „Grundbegriffe und Varianten“ wird auf die Arten von Treatments (unabhängige Variable) eingegangen, wodurch Veränderungs- und Unterschiedshypothesen erklärt werden.
Das Experiment wird als Königsweg für Kausalhypothesen (Ursache-Wirkung-Zusammenhang) genannt. Es wird festgestellt, ob die Veränderungen der unabhängigen Variable zu Unterschieden zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe in der abhängigen Variable führt.
Störvariablen, Pretests, Randomisierung, echtes und Quasi-Experiment (bei nicht zufälliger Zuweisung {Randomisierung} der Probanden zur Experimentalgruppe und Kontrollgruppe spricht man von Quasi-Experiment.
Labor und Feldexperiment –

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Notiz in Arbeit – mal schauen, ob da schon wer her schaut, wenn der Artikel noch nicht fertig und nicht auf FB, Google+ und Twitter gepostet ist 😉

Weblinks:
57 Optische Täuschungen & Sehphänomene
PsycINFO
PSYINDEX
3-heuristiken-zf pdf
mcguire_hypothesis_gen pdf
rohrschneider pdf

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