50) ** Weißes Blutbild

(Last Updated On: 17. Mai 2012)

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1. Differentialblutbild

Das weiße Blutbild ergibt sich aus einer Anzahl verschiedener Leucocyten (Lc), die im Knochenmark (embryonal auch in der Leber) gebildet werden.

Pro mm3 findet man normalerweise etwa 4 000 bis 10 000 Leucocyten, als kernhaltige, Hb-freie Blutzellen (tageszeitliche und funktionelle Schwankungen sind möglich).

Bei einer Anzahl > 10 000/mm3 spricht man von Leucocytose.

Bei einer Anzahl < 4 000/mm3 spricht man von einer Leucopenie.

Zur Leucocytose kann es z.B. posthämorrhagisch und insbes. öin der sog. „Kampfphase des Blutbildes“, bei Infekten, Leukämien bzw. Leucosen kommen.

Ursachen für eine Leukopenie können z.B. Grippe, Masern, Röteln u.a. sein.

Alle Blutzellen, auch Erythrocyten und Megakaryocyten, stammen von pluripotenten hämopoietischen Stammzellen ab.

Granulocyten (Gc) und Monocyten (Mc) entstehen unter dem Einfluß von mesenchymalen Glykoprotein-Gewebehormon, dem sog. „colony stimulating factor“ (CSF). Die Vorläuferzellen der Lymphocyten (Lyc) zweigen als erstes ab. Die Bildung der Lyc erfolgt dann unter dem Einfluß eines spezifischen Wachstumsfaktors – Interleucin 2, welches selbst von antigenstimulierten Lyc gebildet wird – in den sekundären lymphatischen Organen.

Bei Neugeborenen und auch noch bei Kleinkindern ist die Lc-Zahl höher als bei Erwachsenen, der relative Anteil der Lyc ist geringer und der der Mc ist höher.

Der Normalbereich liegt für Erwachsene zwischen 4 000 und 10 000/

l und für Neugeborenen zwischen 10 000 und 25 000/l.

Zur Erstellung des Differentialblutbildes kann nach Pappenheim (May.-Grünwald-Giemsa) oder mit Hemacolor-Schnellfärbelösung (Praktikum) gefärbt werden. Es werden zumindest 100 Lc mittels Ölimmersionsmikroskopie differenziert. Es sollen sich etwa die oben angegebenen Werte ergeben. Die nGc (neutrophilen Granulocyten) werden dabei noch in stab- und segmentkernige nGc unterteilt, wobei auf einen stabkernigen ca. 15 segmentkernige nGc kommen sollen.

Alle Lc sind (Gc mehr – Lyc weniger) amöboid beweglich, und können die Gefäßwand durchdringen. was als Leuco-Diapedese bezeichnet wird. Lc werden chemotaktisch durch Bakterienzellen und durch AG-AK-Komplexe angelockt. Lc können Fremdkörper phagocytieren, und verfügen , je nach Art, über Proteasen, Peptidasen, Lipasen, DNSase u.a. Enzyme. Etwa 50% der Lc (je nach Art, unterschiedlich viele) halten sich im interstitiellen Raum auf. Ca. 30% sind im Konochenmark zu finden, und nur der Rest befindet sich im Blut, welches h.s. als Transportmedium zwischen Knochenmark, lymphatischen Organen und den verschiedenen Einsatzorten dient. Auch in den Querschnitten der Blutgefäße ist wieder eine ungleichmäßige Verteilung (marginaler Randstrom – Axialstrom) zu beachten.

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2. Übersicht – Blutzellen und ihre Vorläuferzellen

2.1 Zählung

Normalerweise wird 1:10 mit 0,3%iger Essigsäure unter Zusatz von Methylenblau (oder Gentaviolett-Essigsäure) verdünnt – die Ery werden durch die Essigsäure zerstört und die Kerne der Lc durch Methylenblau angefärbt.

Ausgezählt werden 4 große Quadrate (je 1 mm Seitenlänge) der Zählkammer. Für die Anzahl der Lc pro mm3 ergibt sich somit:

gezählte Zellen * Verdünnungsfaktor

Lc/mm3 =

Volumen

Verdünnungsfaktor = 10

Volumen = 4 mm² * 0,1 mm = 0,4 mm3; da 10/0,4 = 25 muß als die gezählte Lc-Zahl mal 25 gerechnet werden, um die Anzahl pro µl bzw. mm3 zu erhalten.

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3. Granulocyten

Sie entstammen der sog. myelotischen Reihe (obwohl auch die anderen Blutzellen dem Markentstammen, wird die Bildungsreihen der Gc so bezeichnet). Im Ausstrichpräparat weisen sie Durchmesser zwischen 10 und 17µm auf. Sie befinden sich maximal zwei Tage im Blut.

Es werden 3 Typen unterschieden:

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3.1 Neutrophile Granulocyten (nGc)

Der größte Teil der Lc sind nGc, nämlich ca. 60%. Sie zeigen eine hohe Auswanderungsrate in Schleimhautoberflächen, und sind daher nur etwa 6 bis 8 h im blut zu finden.

Ca. 50% der sich im Blut befindlichen nGc haften an den Endothelzellwänden, insbes. der Lungen- und Milzgefäße. diese Zellen können in Streßsituationen schnell mobilisiert werden (Cortisol, Adrenalin). Zu Beginn akuter Infektionen ist eine rasche Zunahme der nGc im Blut bemerkbar. Die nGc sind die wichtigsten Zellen der unspezifischen Abwehr. Sie können glykolytisch Energie gewinnen, was sie befähigt, sich in O2-armen, entzündeten, ödematösen, schlecht durchbluteten Gewebe aufzuhalten.

Sie bilden dort cytotoxische Stoffe (mit freien O2-Radikalen), die Zellwände zerstören können. Sie phagozytieren (Mikrophagen) Bakterien und Gewebetrümmer, die sid dann mittels lysosomaler Enzyme abbauen (Proteasen, Lipasen, Oxydasen..).

Positive Oxidasereaktion bei der ganzen myelotischen Reihe, Myeloblasten ausgenommen.

Eiter besteht zum größten Teil aus nGc bzw. ihren Trümmern; frei werdende lysosomale Enzyme führen zum Abszeßdurchbruch (Erweichung des umliegenden Gewebes). Im aktiveierten nGc wird die ungesättigte Fettsäure, Arachidonsäure, aus Zellmembranen freigesetzt. Daraus entstehen die Eicosanoide, welche wichtig fü+r die Gefäßweitenregulation und Gefäßpermeabilitätsregulation, Schmerzentstehung, Blutstillung, Entzündungsreaktion u.a.

Die cyklischen Endoperoxide (Thromboxane, Prostaglandine, Prostacyclin) entstehen über die Cyclooxygenase, Leucotriene über die Lipoxygenase.

Vorkommen und Aufgaben der Eicosanoide:

Leucotriene Tromboxane Prostaglandine Prostacyclin

nGc, eGc Thc ubiquitär Endothelzellen

Gewebemakrophagen

Mastzellen

Chemotaxis Thc-Aggregation Entzündungen Hemmung der

Entzündung Vasoconstriction Schmerz Thc-Aggregation

Anaphylaxie Vasodilatation Vasodilatation

siehe auch Frage „Gewebehormone“

Die nGc werden auch zur Geschlechtsbestimmung herangezogen; bei Frauen sind mindestens 7 von 500 nGc mit sog. drum-sticks (degeneriertes x- Chromosom) zu finden (Hermaphroditismus).

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3.2 Eosinophile Granulocyten (eGc)

2 bis 4% dr Lc sind eGc. Es ist aber ein circadianer Rhythmus zu bemerken, welcher Schwankungen mit sich bringt. Die Anzahl ist um Mitternacht am höchsten und am Morgen am niedrigsten. Es besteht ein Zusammenhang mit der Glucocorticoidausschüttung der NNR: bei hohem Glucocorticoid-Spiegel finden sich weniger eGc im Blut. Auch eGc können phagocytieren. Die Granula enthalten AS, Lipide, Proteine…

Eine Eosinophilie findet man h.s. bei Wurmerkrankungen und bei allergischen Reaktionen, sowie bei Autoimmunerkrankungen, bei denen AK gegen eigene Zellen gebildet werden – z.B. bei Asthma bronchiale, Scharlach und in der sog. Heilphase von Infektionskrankheiten.

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3.3 Basophile Granulocyten (bGc)

Ca. 0,5 bis 1% der Lc sind bGc. Sie verweilen etwa 12 h im Blut. Der Durchmesser im Ausstrichpräparat beträgt 7 bis 11µm. Ihre Granula enthalten v.a. Heparin und Histamin. Nach der postprandialen Fettresorption findet man eine höhere Anzahl von bGc im Blut. Durch Freisetzung von Serumlipolyse mit dem sog. Klärfaktor (Heparin ist ev. prosthetische Gruppe der Serumlipase) werden in den Chylomikronen Esterbindungen gespalten, mittels denen Triglyceride an Polypeptide gebunden sind; die Konzentration an freien Fettsäuren im Plasma steigt dadurch an.

Die bGc im Blut tragen an ihrer Oberfläche IgE-spezifische Receptoren, an die sich z.b. bei Heuschnupfen IgE-AK heften, die dann bei Exposition zu Pollen mit dem AG reagieren. Durch Bildung des AG-AK-Komplexes an der Oberfläche wird Histamin aus den Granula freigesetzt, und es kommt zu allergischen Reaktionen:

Gefäßerweiterung, Hautrötung, Quaddelbildung, u.U. Bronchospasmen.

Auch bei chronischer Myelose, hämolytischem Ikterus, M. Banti, Polycythämie und schweren Anämien findet man eine Basophilie.

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4. Monocyten (Mc)

Etwa 4 bis 8% der Lc sind Mc mit ungranuliertem Plasma, 12 bis 20 µm Durchmeser, hohem Gehalt an unspezifischen Esterasen und mit hoher Phagocytosekapazität.

Normalerweise wandern sie nach 2 bis 3 Tagen vom Blut ins Gewebe und werden dort bezeichnet als Histiocyten bzw. Gewebemakrophagen verschiedenster Art (Kupfer’sche Sternzelle der Leber, alveoläre Makrophagen der Lunge, Zellen des RES, Hofbauerzellen der Placentazotten, Langerhanszellen des Stratum germinativum der Haut, Osteoklasten, Körnerkugeln des Thymus, „Mastzellen“,…

Aktivierte, vergrößerte Mc können cytotoxische, Leucotriene, Interleucin I, Interferone und einen Faktor, der das Wachstum von Endothelzellen und glatten Muskelzellen (Mitogen) fördert, bilden. Im Entzündungsbereich können sich Mc durch Teilung vermehren. IUm enzymatisch nicht abbaubare Fremdstoffe bilden sie isolierende Zellwände. In großer Zahl findet man sie auch in Lymphknoten (AG-präsentierende Zellen), im kindlichen Thymus (Entfernung falsch geprägter Lyc), in den Sinus der Leber, Milz und im Knochenmark.

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5. Lymphocyten (Lyc)

Ca. 25 bis 40% der Blut Lc. also etwa 1 000 bis 3 600 Zellen/µl sind beim Erwachsenen Lyc – beim Kind sogar über 50%.

Lymphocytose > 4 000/µl

Lymphopenie < 1 000/µl

Eine Lymphocytose kann man z.B. bei chronischen Infekten (Tuberkulose) und in der Heilphase fon Infekten, M.Basedow, Myxödem, Röteln… finden.

Eine Lymphopenie kann u.a. auftreten bei Lymphgranulom, Lymphknotentuberkulose, Lymphsarkom.

Die Bildungsorte sind nach Einwanderung aus den primären lymphatischen Organen (Thymus, knochenmark und embryonal auch die Leber) in die sekundären lymphatischen Organe v.a. letztere, also Gaumen- und rachenmandeln, Waldeyer’scher rachenring, Knochenmark, Milz, Peyer’sche Plaques und Lymphknoten, wie z.B in der Achsel- und Leistengegend.

die Lyc sind die Funktionsträger des spezifischen Abwehrsystems (siehe Frage „Abwehr“).

Die T-Lyc (Prägung im Thymus; zelluläre Immunität) lassen sich von den B-Lyc (Prägung im Bursa-Äquivalent [bzw. im bone-marrow]; humorale Immunität) – abgesehen von der Bestimmung min monoklonalen AK gegen spezifische T-Zell-Marker (Oberflächenantigene) – durch den Schafserythrocyten-Test, auch Rosetten-Test genannt unterscheiden.

T-Lyc bilden im gegensatz zu den B-Lyc in Gegenwart von Schafserythrocyten spontan Rosetten aus, weil sich die Ery an die CD2-Receptoren der T-Lyc binden.

Bei bakteriellen Infekten tritt zunächst eine neutrophile Leukocytose bei gleichzeitiger Abnahme von Lc und eGc auf, sog. „neutrophile Kamfphase“. Im weiteren Verlauf komnmt es zu einer Monocytose „monocytären Überwindungsphase“ und schließlich klingt der Infekt mit einer Lymphocytose und Eosinophilie ab “ lymphocytär-eosinophile Heilphase“.

Bei chronischen Infekten kann es, wie gesagt, zu einer Lymphocytose kommen.

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6. Differentialdiagnose

In der Klinik werden tabellen verwendet, wobei Lc, die weniger Segmente aufweisen, links eingetragen werden. Bei relativer Zunahme dieser Formen spricht man von „Linksverschiebung“. Neuere autoradiographische Untersuchungen ergaben, daß kein Zusammenhang zwischen Segmentierung und Alter der Gc besteht Die Segmentierung ist lt. [2] von vornherein festgelegt. Bis sich das am Wiener Institut herumspricht wird es aber sicher noch einige Zeit dauern.

Bei einer Reihe von Erkrankungen, z.B. bei perniziöser Anämie, oder bei physiologischer Leukopenie im hohen Alter, kommt es jedoch zur Bildung von Gc mit starker Segmentierung. Bei Mangel an Lc, Leukopenie (in schwerster Form – Agranulocytose) kommt es zu einem Zusammenbruch der Abwehr gegen Infek- tionen. Die Leucopenie betrifft h.s. die nGc; Ursache kann einerseits verminderte Produktion und andererseits zu rasches Verschwinden aus dem Blut sein. Physikalische (ionisierende Strahlen) oder chemische (Benzol, Cytostatica) Noxen können die Entwicklung im Knochenmark stören. Schwere Infekte (z.B. Sepsis, Miliartuberkulose), sowie Krankheiten mit Splenomegalie können zur Leukopenie führen.

Bei Leukämie (Leukocytose – krebsartige Vermehrung von Lc) findet man eine große Zahl nicht funktionsfähiger Lc (lymphatische, oder myelotische Leukämie wird unterschieden).l

.) Produktionsleukocytose:

Vermehrte Ausschwemmung aus dem Knochenmark; die Stabkernigen (Jugendformen) sind vermehrt; Übrigens sagt die Stabkernigkeit nichts über die spätere Segmentierung der Gc aus.

.) Verteilungsleukocytose:

Mobilisierung des marginalen Granulocytenpools; segmentkernige Gc ösind vermehrt; Durch starke körperliche Anstrengung z.B. wird die Adrenalinkonzentration im Blut erhzöht, wodurch Lc des marginalen Granulocytenpools mobilisiert werden. Bei Blutdruckerhöhung – Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit werden zunehmend größere Partikel in den Axialstrom gedrängt.

.) reaktive Linksverschiebung:

(Auftreten von Promyelocy<ten und Myeloblasten im Blut) z.b. bei chronisch myeloischer Leukämie;

.) Rechtsverschiebung:

z.B. bei perniziöser Anämie.

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7. Zwischenfragen

  • Wie geht man bei der Zählung vor?
  • Welche Werte soll man normalerweise erhalten?
  • Wie nennt man eine Verminderung bzw. eine Vermehrung der Lc?
  • Was wissen Sie bzgl. der Differenzierung des weißen Blutbildes?
  • Wodurch kann es zu einer Linksverschiebung kommen und was?
  • Was ist der Unterschied zwischen einer Verteilungs- und Produktionsleukocytose?

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