Wu Bu – Die fünf Bewegungsrichtungen im Taijiquan

(Last Updated On: 11. Januar 2012)

Jeder der nicht Taijiquan übt, wird mir bestätigen können, dass er sich von der Mitte nach vor, hinten, rechts und links bewegen kann. Manche können sich sogar noch kleiner machen und in die Hocke gehen, oder sich lang machen, oder gar springen, aber fliegen kann keiner. Vereinfacht gesagt, sind die 4 Bewegungsrichtungen aber schon alle möglichen Bewegungsrichtungen, aus denen man alle anderen Richtungen zusammensetzen kann, wie bei Vektoren. Auch in Taijiquan gibt es „nur“ die Mitte und die erwähnten 4 Richtungen. Die Besonderheit der 5 Bewegungsrichtungen im Taijiquan liegt also darin, wie man diese Richtungen für Bewegungen nutzen kann, sodass die Taijiquan-Prinzipien gewahrt bleiben, oder überhaupt erst erfüllt werden.
1.) Im Zentrum bleiben
Es scheint nun zu einfach, wenn man die körperliche und geistige Mitte findet und sie immer und überall hin mit nimmt, also nie verlässt, denn dann gibt es natürlich keine von außen sichtbare Bewegung, aber genau um das geht es. Man muss die Mitte verlassen, ohne sie zu verlassen. Wie geht das? Ich setze zum Beispiel einen Fuß eine Schrittlänge nach vor und verlagere das Körpergewicht ganz auf das hintere Bein, obwohl der vordere Fuß auch den Boden berührt (in Taijiquan oft nur mit der Ferse oder den Zehen, aber hier spielt das keine Rolle). Ziehen wir einen Kreidekreis mit einer Armlänge im Radius um mich (mein Zentrum, meine Mitte, mein Dantian) herum auf den Fußboden. Senkrecht von meinem Zentrum nach unten tragen wir nun meine Mitte in den Kreis ein und schon wird es klar, wie ich die Mitte verlassen kann, ohne dabei die Mitte, das Gleichgewicht oder mein Zentrum zu verlieren.
2.) Maximalen Bewegungsradius nutzen
Innerhalb des oben gezogenen Kreidekreises kann man nun den Punkt (mein Zentrum) herum bewegen und an jeden Punkt bringen, ohne das ich meine Mitte verliere, solange ich nicht zu nahe an den Rand gebracht (über meine physikalischen Möglichkeiten hinaus) werde. Einmal stehe ich dabei am linken, einmal am rechten Bein, einmal drehe ich mich nach links, dann gewichte ich etwas rechts usw.
3.) Sich aus der Mitte heraus bewegen (Spiralkraft)
Wird der Kreidepunkt oben innerhalb meines mir möglichen Bewegungsradius verschoben und damit gleichzeitig meine Mitte, wird es vermutlich ein Ruckeln, Wackeln eine Verzögerung, Reaktionszeit geben, wenn ich nicht gut Taijiquan kann. Dies fällt weg, wenn die Bewegung der Mitte von der Mitte selbst ausgeht und alle Körperteile mit der Mitte verbunden sind. Dies erklärt, weshalb im Taijiquan alle Bewegungen vom Zentrum ausgehen.
4.) Spiralkraft (eine Chen Stil Eigenheit)
Nun zeichnen wir uns auf unseren Kreidekreis die Himmelsrichtungen ein und nehmen an der Kreidepunkt, also mein Zentrum wäre genau in der Mitte und ich möchte ihn Richtung Osten (nach rechts, Richtung 3 Uhr) verschieben. Ich drehe mich (mein Zentrum um die eigene Achse) und richte damit meine Vorderfront nach Nordosten ein. Nun erfolgt eine kleine Bewegung nach vor (Richtung Rand), dann eine Bewegung nach rechts (Richtung Osten) und ich wiederhole diese kleinen Bewegungen solange, bis das Ziel erreicht ist. Es entsteht eine wellenförmige Linie, die dreidimensional betrachtet spiralenartig verläuft. Je höher die Frequenz der Welle und je geringer die Amplituden, um so schwieriger wird es von außen zu einem bestimmten Zeitpunkt festzustellen sein, wo sich mein Zentrum gerade befindet. Das heißt, du erkennst mich nicht. Ich erkenne dich, aber du mich nicht, oder so ähnlich sagte dazu angeblich ein Taijiquan Meister.
4) steigen – sinken, nach rechts drehen – nach links drehen, ausdehnen – zusammenziehen, öffnen – schließen, Yin und Yang sind Teil jeder Bewegung und dazu gäbe es verschiedene Beispiele, die zur Demonstration geeignet wären, aber ich stelle mir statt es Kreidekreises einfach einen mit Luft oder Wasser gefüllten Luftballon vor und projeziere mein Zentrum hinein, damit ich an dieser Stelle nicht alle 8 Grundtechniken (Ba Fa) benötige, um die 5 Bewegungsrichtungen beschreiben zu können. Denn die Grundtechniken sind natürlich ebenfalls mit Bewegungen und Richtungen verbunden.

Eine Bewegung benötigt neben der Richtung auch einen Impuls, Energie (8 oder 13 Energien), Kraft (4 Grundkräfte) und eine Motivation (Aktion, Reaktion, Folgen, Kleben, Explosion, …), doch dazu komme ich nächstes mal.

Verschiebe ich mein Zentrum innerhalb meines möglichen Bewegungsradius ergeben sich dadurch bestimmte bevorzugte Stellungen, denen dann auch in Taijiquan und in jeder andern Kampfkunst bestimmte Bezeichnungen zugeordnet werden. So finden wir in Taijiquan zum Beispiel folgendes Grundgerüst:
1. Mitte, zhong ding, Erde, Ma Bu, zentrierter , verwurzelter Stand, gesenktes Qi zum Dantian, ruhiger Geist, in bestmöglicher Struktur; auch auf einem Bein (ein Bein angehoben, oder mit der Ferse oder den Zehen den Boden berührend, aber ohne jedes Gewicht; z.B. Im sog. Leerstand (Katzenstand, Xu Bu), Cha Bu „Kreuzstand“ oder Xie Bu und Ti Bu „Beinschlagstellung“, [Jin Ji] Du Li Bu im goldenen Hahn, …)
2. Vorne, vordringen, Qian jin, Metall, Bogenstand (gong bu)
3. Hinten, zurückweichen, Holz, Pu Bu, flacher Stand,
4. Links (links blicken), Zou gu, Wasser,
5. Rechts (rechts blicken), You pan, Feuer

(1132)


History

4 Gedanken zu „Wu Bu – Die fünf Bewegungsrichtungen im Taijiquan“

  1. Alles dreht sich, alles bewegt sich. Für Sterne und Atomteilchen ist das Wie recht gut geklärt, doch wie wurde es in Gang gebracht und was ist mir mir? Kristallstruktur und Nebeldampf, Anziehungskräfte und elektromagnetische Felder werde ich für bestimmte, meiner Bewegungen aber nicht heranziehen, sondern nur die Grundtechniken des Taijiquan.

Schreibe einen Kommentar zu Hermann Bohn Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert