Generationen der Chen Familie und des Chen Stil Taijiquan

Wenn ich Chen Stil Taijiquan erlernen will, ergibt sich daraus für mich zwangsläufig, dass ich mich auch mit der Herkunft beschäftige. Dabei finde ich es immer wieder verwirrend, dass Chen Wangting (1597; † 1664) als Begründer des Chen Stils angegeben wird und dieser gleichzeitig der 9. Generation entstammt. Genealogisch ist das zwar bestimmt richtig, wenn über den Vater von Chen Bo (Gründer von Chenjiagou) keine Aufzeichnungen vorhanden sind, aber in Hinblick auf Taijiquan ist das für mich recht verwirrend.
Beispiel: Ich eröffne heute ein Kunsthandwerk. Wenn es mein Sohn weiter führt, weil es erfolgreich war, sollte er sich auf seinem Aushängeschild trotzdem „Kunsthandwerk Hirner seit 2 Generationen erfolgreich“ oder ähnliches darauf schreiben und nicht „Kunsthandwerk Hirner seit 10 Generationen erfolgreich“, nur weil ich meinen Urgroßvater und meine Vorfahren kenne.
Großmeister Chen Xiaowang, 19. Generation der Gründerfamilie des Taijiquan, mag zwar richtig sein, aber sein Taijiquan hat „erst“ eine 10 Generationen lange Tradition, wenn Chen Wangting der Begründer des Chen Stils war. Da sich der Titel Großmeister aber auf Taijiquan bezieht und aus dem Kontext heraus (es geht immer um Taijiquan und nicht etwa um Kochrezepte für Vanillekipferl, die innerhalb der Familie weiter gegeben wurden), wäre für mich 10. statt 19. Generation verständlicher. Es spielt natürlich keine große Rolle, es sei denn, man sucht nach Taijiquan-Quellen der ersten 8 Generationen.

Chen Taijiquan, Alter Rahmen von Master Chen Guizhen


und

Welche Eigenschaftswörter fallen mir da spontan dazu ein:
„ausgezeichnet, einzigartig, herrlich, unübertroffen, vollendet, vollkommen, ideal, numinos, omnipotent, perfekt, unerreicht, vortrefflich, graziös, grazil, anmutig, zart, ausgewogen, abgewogen, zusammenstimmend, zusammenpassend, gleichmäßig, im richtigen Verhältnis, den Harmoniegesetzen entsprechend, Wohlklänge enthaltend, wohlklingend, gut zusammenpassend, ein ausgewogenes Ganzes bildend, harmonisch, exzellent, hochwertig, kostbar, nobel, süperb, vorzüglich, edel, fabelhaft, fein, großartig, prächtig, zauberhaft, ausgezeichnet, außergewöhnlich, eindrucksvoll, grandios, ideal, wunderbar, anziehend, betörend, entzückend, reizend, wunderbar, märchenhaft, angenehm, anmutig, attraktiv, reizend, scharmant, einnehmend, gewinnend, hübsch, zauberhaft, außergewöhnlich, beeindruckend, bewundernswert, brillant, eindrucksvoll, einzigartig, enorm, erstaunlich, fabelhaft, formidabel, hervorragend, imposant, ja, nahezu göttlich, … “ 😉 wie auch die andern Formen hier. Ach ja, „schön“ habe ich vergessen und jetzt denke ich lieber nicht mehr nach, sonst folgt gleich noch ein enthusiastischer Absatz mit lobenden und preisenden Adjektiva ein. Jedenfalls gefällt es mir so gut, dass ich es nach tausenden Ansichten der Videos „Alter Rahmen von Großmeister Chen Xiaowang“ als willkommene Abwechslung wirklich schätze. Vergleichen will ich nicht, denn Chen Xiaowang ist als mein Vorbild von jedem Vergleich ausgeschlossen und von allen anderen Großmeister will ich in erster Linie lernen. Da vergleiche ich zwar, aber sicher nur im geheimen Gedanken, denn zu sagen habe ich dazu sicher nichts. Bei Chen Guizhen hingegen kann ich einfach zusehen und genießen, ohne sofort zu bemerken, dass ich keine Ahnung habe und aus jedem Detail lernen will. Keine Ahnung, aber vielleicht geht es männlichen Skifahrern ähnlich, wenn sie sich einen Damenbewerb ansehen, aber bei mir fällt auf jeden Fall der unwillkürliche Lernzwang weg. Das soll aber sicher nicht bedeuten, dass ich Chen Guizhen nicht sehr als Lehrerin schätzen würde, sondern eher, dass sie etwas hat, was ich nie lernen kann, weil ich keine Frau bin. Diese runde Weichheit und weibliche Eleganz ist für mich sogar theoretisch unmöglich zu erlernen, die Fähigkeiten von Chen Xiaowang dagegen, kann ich nur praktisch nie erreichen. Fähigkeit hin Vollkommenheit her, die Videos bereichern mich jedenfalls ungemein und ich werde die Form schon morgen viel weicher, runder und gelassener ausführen.
Lediglich die Qualität der Videos lässt zu wünschen übrig und wenn ich schon beim Wünschen bin – naja, den Neuen Rahmen würde ich auch gerne so zelebriert sehen.
Oben habe ich zwar gesagt, dass ich Meister dieser Klasse nicht vergleiche, weil ich dazu gar nicht in der Lage sein kann, aber sie ist trotzdem mit der Vorstellung (Yi) weit mehr bei den Händen als zum Beispiel Chen Xiaowang heute. In alten Videos von ihm habe ich das aber auch bemerkt, es könnte also mit dem Alter (Praxis) zu tun haben. Ich stelle mir vor, je älter (Übungsalter), um so zentrierter und effektiver; die Bewegungen werden kleiner, bei Chen Xiaowang für mich sogar unsichtbar, aber ich erkenne, auch wenn nur über Videos vermittelt, dass da noch etwas ist.

Kleiner Rahmen – Chen Taijiquan von Chen BaiXiang


Habe dazu interessante Spekulationen auf kampfkunst-board.info. Dazu ein Zitat aus den Kommentaren vom Benutzer Matieu:

Ab 0:54 in dem Video demonstriert Chen Boxian die Xiaojia Bewegungsfolge drei mal vorwärtsschreiten. Im Yang-Stil habe ich dieses Bild damals in der 85er-Form nach Yang Chengfu als Kniestreifen kennengelernt. Im Xiaojia ist das Kniestreifen allerdings die Position bei 0:44 -0:48, die dann bei 0:58 wieder auftaucht. Das Bild danach ist ganz eindeutig das Bild „die Pipa spielen“ aus dem Yang-Stil bei 1:07. Im Xiaojia Chen Taijiquan heißt dieses Bild „das Zurückholen“. Der Aufbau der Form läßt an diesen und weiteren Beispielen die direkte Verwandtschaft erkennen und ist für mich ein deutlicher Beweis dafür, dass Xiaojia Chen Taijiquan das Taijiquan ist, das Yang Luchan ursprünglich erlernt und praktiziert hat.

Und zum Video lese ich, dass neben Meisterin Chen Liqing auch Chen Peiju und Chen Guizhen in Deutschland bekannt sein sollen.

Und ich zitiere aus einer Antwort von bluemonkey an den taiwandeutschen 😉

… Wenn Chen Liqing die Form ausgegraben hat, was hat die (Form) dann mit Chen Zhaokui zu tun?
Chen Liquing stand doch in der Xiaojia-Tradition während Chen Zhaokui in der Dajia-Linie lernte also eher Laojia und Xinjia von seinem Vater Chen Fake?
Die „großen Vier“ sind doch alle Dajia?