Vier extreme Orientierungslauf-Tage meiner Jugend; Tag 3 und 4: Wettkampf

(Last Updated On: 17. November 2015)

Die Vorbereitungszeit war fantastisch. Ich lernte einige schöne Gegenden von Salzburg kennen und konnte sozusagen meiner Wehrpflicht nachkommen und gleichzeitig meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Laufen in der Natur, nachgehen. Ich bedauerte, dass der Wettkampf nahte, weil damit die Vorbereitungszeit zu Ende war. Der Wettkampf selbst bedeutet mir „zwei weitere Tage laufen dürfen“, aber sonst gar nichts.
Am ersten Tag entging es wohl keinem, welche Startnummer der Favorit und Staatsmeister hatte. Ich kann mich natürlich nicht mehr erinnern, aber er startete drei Minuten hinter mir. Das weiß ich deshalb noch, weil ich mir dachte, dass er mich sicher schnell einholen wird und dann könnte ich mich vielleicht an ihm anhängen. Orientieren war ohnehin nicht meine Stärke. Die Favoriten blieben dazu nie stehen und es genügte ihnen ein kurzer Blick auf die Karte. Ich hingegen musste nach fast jedem Punkt zur Orientierung stehen bleiben und manchmal dazu sogar kurz den Kompass zücken.
Es geschah genau so, wie ich es mir dachte. Nach kurzer Zeit holte mich der Favorit ein und es lag eine sumpfige, weite Wiese vor uns. Ich dachte mir, dass er mir da nicht davon laufen kann, da man eine weite Sicht hatte. Aber man sank bei jedem Schritt in die sumpfige Wiese ein und es war sehr anstrengend, sein Tempo halbwegs halten zu können. Da drehte sich der Kerl vor mir um und strahlte mich mit einem freudigen Lächeln an. Das war für mich wie ein Keulenschlag. Es war unmenschlich und unmöglich. Wie konnte er unter dieser Anstrengung ganz fröhlich Lächeln. Ich war verzweifelt und brach psychisch ein. Er war kein Mensch, sondern ein freundliches Monster. Ich musste ihn ziehen lassen und mich weiterhin auf mich selbst verlassen. Nach dem nächsten Punkt kam aber ein Steilhang im Wald hinunter. Ich drohte schon ganz am Anfang zu stürzen und rettete mich dann bei jedem Schritt, nein es waren Sprünge, irgendwie und konnte gerade ein Fallen verhindern. Dabei stieß ich mich immer wieder irgendwie ab und beschleunigte dadurch noch mehr. Ein paar Äste und junge Bäume boten mir kurz Halt und ich konnte es selbst kaum fassen, dass ich den Hang ohne Sturz hinunter kam. So schnell konnte niemand gewesen sein, das war mir klar, denn ich hatte auch nur Glück. Das motivierte mich wieder und ich dachte sogar an eine Aufholjagd. Fünf Minuten nach dem Favoriten kam ich ins Ziel. Ich war also 8 Minuten langsamer und damit zufrieden.
Am zweiten Tag, es waren wieder 13 km zu bewältigen, kannte man auch schon meine Startnummer, denn ich war unter den Besten. Vor dem Start rauchte ich noch hastig eine Zigarette. Ein Goldfasan, also ein Offizier rief mich zu sich und wetterte und schimpfte mit mir, weil ich vor dem Lauf rauchte. Er verlangt nach meinem Vorgesetzten und Trainer. Dieser meinte nur, dass ich gestern sehr schnell war und zwar nur deshalb, weil ich mich schon so auf eine Zigarette freute. Der Offizier lies sich besänftigen und schmunzelte sogar zu dieser Meldung. Nach dem Start lief ich an einigen vor mir vorbei. Zuerst sah ich ihre tollen Schuhe, manche hatte sogar welche mit auswechselbaren Stoppeln und dann dann hörte ich ihr Schnaufen hinter mir. Es war mir eine Genugtuung, denn ich lief mit den verschlissenen, braunen Heeres-Turnschuhen und dem Heeres-Trainingsanzug. Ich übte, was ich am Vortag am eigenen Leib erfahren musste und drehte mich fröhlich lächelnd um. Es funktioniert, man kann unter Schmerz und Anstrengung fröhlich lächeln. Die Wirkung ist sagenhaft. Der hinter mir blieb keuchend stehen. Nach einigen Punkten und Kilometern hatte sich schon eine beachtliche Gruppe an mich angehängt. Da mir der Wettkampf sowieso nichts bedeutete und ich außerdem nicht die geringste Chance gegen die Elite hatte, überlegte ich mir einen Trick für den nächsten Punkt.
Ich orientierte mich schnell und kurz und schlug eine um 90 Grad versetzte Richtung in einen Wald hinein ein. Das Rudel folgte mir brav, wie einem Leitwolf. Ich legte einen Sprint ein und sobald ich außer Sichtweite war, schlug ich einen Haken und versteckte mich hinter einem Baum. Das Rudel lief nichts ahnend vorbei und ich musste innerlich, schadenfroh Lachen.
Leider verging mir das innerliche Lachen schnell, denn zirka nach der Hälfte der Strecke, unterlief mir ein fataler Orientierungsfehler. Auf der Karte sah ich einen Wald, der inzwischen aber gerodet wurde und weil ich ja schnell sein wollte, bemerkte ich den Fehler erst nach Minuten, weil ich niemanden mehr überholte. Das kostete viel Zeit und somit war eine gute Endplazierung verspielt. Kurz vor dem Ziel war noch eine Schikane eingebaut, die ich nicht vergessen kann. Denn da lagen einige Teilnehmer am Fuß einer Steilböschung und andere rutschten gerade herunter. Sie hatten nicht mehr die Kraft den Steilhang hinauf zu kommen. Manche hielten sich zu fest am Gras fest und rissen es aus, wodurch sie dann wieder und wieder hinunter rutschten und erschöpft einige Minuten lang liegen bleiben. Der Anblick brachte mich zum Lachen, wodurch ich es selbst auch beinahe nicht geschafft hätte. Aber eben nur beinahe, denn mir gelang es gerade noch hinauf zu kommen und das beim ersten Versuch. Ja, und dann war da auch noch ein Feldweg zu überqueren. Dieser Weg konnte normalerweise für niemanden ein Hindernis darstellen, aber durch die Erschöpfung stürzten auch dort noch einige, wodurch ich lachend durchs Ziel stolperte. Manche meinten daher später, ich hätte nicht alles gegeben, was aber nicht stimmte. Ein paar Minuten durch geatmet, suchte ich meine Jacke mit den Zigaretten. Ich rauchte damals 3er, also das billigste, filterlose, starke, stinkende Kraut, von dem ich jetzt noch ersticken könnte, wenn ich nur daran denke.

Und heute, heute bin ich froh, wenn ich nach ein paar hundert Meter gehen, keine Rast einlegen muss. 😉


Bildquelle: „Purekkari neemel“ by Abrget47j – Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – httpss://commons.wikimedia.org/wiki/File:Purekkari_neemel.jpg#/media/File:Purekkari_neemel.jpg

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