Das böse Rotkäppchen und der Stress mit dem Wolf

(Last Updated On: 10. Oktober 2018)

Wikipedia: Rotkäppchen (auch Rotkäppchen und der (böse) Wolf, im österreichischen Burgenland und Ungarn auch Piroschka, von ungarisch piros: rot) ist ein europäisches Märchen vom Typ ATU 333. Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm als Rothkäppchen an Stelle 26 (KHM 26) und geht durch mündliche Weitergabe über Johanna und Marie Hassenpflug auf Charles Perraults Le Petit Chaperon rouge in Contes de ma Mère l’Oye (1695/1697) zurück. Ludwig Bechstein übernahm das Märchen 1853 von den Brüdern Grimm in sein Deutsches Märchenbuch als Das Rotkäppchen..

Dabei gehen die beiden ersten literarischen Rotkäppchenversionen auf Charles Perrault aus dem Jahr 1695 zurück. Das Kindermärchen Rotkäppchen und der böse Wolf kenne ich schon aus meiner Kindheit, wobei eine Version damit endete, dass Rotkäppchen vom bösen gefressen wurde und bei der anderen wurden Großmutter und Rotkäppchen von einem Jäger gerettet und der böse Wolf getötet, indem man ihm Steinen in den Bauch operierte und er damit in den Brunnen viel.

Ich habe dann auch noch von Grimms Märchen Update 1.2 Der Wolf und das böse Rotkäppchen (Moderne Märchen)
und Rotkäppchen und der böse Wolf (Agatha Christie ) gehört, aber das Märchen der Gebrüder Grimm, wie hier zu lesen „Rotkäppchen (grimmstories)“, gefiel mir doch besser.

Unlängst kam ich auf „Rotkäppchen und der Stress“ vom Psychiater und Philosoph Manfred Spitzer. Die Kurzbeschreibung von Amazon dazu:

Ein Titel aus der Reihe „Wissen & Leben“, Herausgegeben von Wulf Bertram, Stress, der böse Wolf der digitalen Welt Mit dem Thema Stress fühlt der Neurowissenschaftler, Psychiater und Philosoph Manfred Spitzer wieder einmal den Puls der Zeit: Plastisch und unterhaltsam streicht er heraus, was überhaupt Stress ist (und was nicht) und gibt ebenso überraschende wie luzide Antworten auf Fragen wie: Wer hat mehr Stress, mein Chef oder ich? Warum hilft Zeit verschenken gegen Zeitknappheit? Was bewirkt der Achtsamkeits-Hype wirklich? Warum sollte das Märchen von Rotkäppchen weiterhin erzählt werden? Und wie hält man den bösen Wolf von sich fern? In 17 Essays schärft der „neue Spitzer“ auf gewohnt brillante Weise unseren Blick für die Stressphänomene und den Kulturverfall im digitalen Zeitalter. Wussten Sie zum Beispiel, dass das iPhone die Kulturrevolution Maos fortsetzt? Und dass die Traumforscher demnächst vielleicht schon Ihre Träume scannen können? Erfahren Sie, was engagierte Hirnforschung gegen Stress und den schleichenden Kulturverlust aufzubieten hat!

Zitat aus dem Exzerpt, welches mich in Versuchung bringt, dieses Buch zu lesen, denn der Schreibstil gefällt mir. Danach werde ich diese Notiz vielleicht mit Anmerkungen oder Kommentare erweitern.
Zitat aus der Leseprobe:

Aus meiner Sicht ist es geeignet, die Psychophysiologie der Stressreaktion zu erhellen und sollte daher auch weiterhin
allen Kindern dieser Welt erzählt werden. Im Grunde genommen sind Rotkäppchen und der Wolf doch zwei natürliche
Wesen, die in ihrem jeweiligen Lebensvollzug für sich genommen stressfrei existieren könnten. Erst durch die
schicksalhafte Verkettung von Lebenswegen im Rahmen einer dyadischen Verstrickung kommt es zum Stress: Wölfe
ernähren sich von tierischem Eiweiß, dessen Mangel beim Wolf die Vigilanz erhöht, den Metabolismus ankurbelt und
Energie mobilisiert, damit die zur Nahrungsbeschaffung notwendigen aggressiven Handlungen auch erfolgreich umgesetzt werden können. Von der Nebennierenrinde ausgeschüttete Glukokortikoide im Blut des Wolfs bewirken eine konzertierte Aktion dieser und weiterer physiologischer Veränderungen, die den Wolf in die Lage versetzen, sich erfolgreich Nahrung zu beschaffen. Anders gewendet:
Von den Wölfen, die keine Stressreaktion beim Jagen hatten, stammen die heute noch lebenden Wölfe definitiv nicht ab.
Ganz anders beim Rotkäppchen: Es reagiert gelassen auf die Begegnung mit dem Fressfeind, sodass ein für die Erfahrung von Stress notwendiges Erlebnis des Kontrollverlustes ausbleibt. Hierzu mag auch die Nahrung, die es in einem eigens hierzu mitgeführten Behältnis (Körbchen) dabeihat, sowie die ablenkende Beschäftigung mit Naturschönheit (Blumen pflücken) beigetragen haben. Falls das
Mädchen dennoch je Anflüge einer Stressreaktion mit dem Wolf gehabt haben sollte, wurde diese durch anschließende körperliche Betätigung (zur Großmutter laufen) signifikant gedämpft. Selbst die bei visueller Inspektion fragwürdige Identität des im Bett weilenden Individuums führte bei Rotkäppchen ganz offensichtlich zu keinerlei Stressreaktion, sodass das kleine Mädchen sogar erstens den Akt des Verspeistwerdens, zweitens die Minuten der sensorischen Deprivation und die drittens stattgehabte Minderversorgung mit Atemgasen mit restitutio ad integrum überstehen konnte. Ganz anders wiederum beim Wolf: Der wurde nicht nur
zum Spielball seiner überbordenden Stressreaktion mit gleich zwei konsekutiven aggressiven Akten. Er erlebte auch die gastrointestinalen Nebenwirkungen der Stressreaktion, die von Völlegefühl über blutende Ulzera bis zum Kollaps mit Todesfolge reichen können und bei ihm tatsächlich reichten. Was will uns das Märchen also sagen? – Nicht die objektiven Umstände – ein großer starker, zotteliger Körper mit scharfen Krallen und spitzen Zähnen auf der einen und ein kleines, schwaches, zartes Mädchen auf der anderen Seite – sind relevant für die langfristige Gesundheit, sondern das subjektive Erleben des jeweiligen Individuums.
Wird ein hohes Maß an Kontrolle erlebt, so kann dies zwar kurzfristig nachteilig sein (gefressen werden), wirkt sich
aber langfristig positiv aus (Überleben). Ist man hingegen Spielball der Umstände und handelt daher reflexhaft auf
entsprechende Reize, mag das zwar kurzfristig Befriedigung (Fressen) verschaffen, führt jedoch langfristig zu
Krankheit und Tod.
Wer hätte gedacht, dass sich erst mit der biochemischen, physiologischen und psychologischen Aufarbeitung der
akuten und chronischen Auswirkungen der Stressreaktion – von Walter Cannon und Hans Selye bis Robert Sapolsky –
dem zeitgenössischen Leser die Tragweite alten europäischen Kulturgutes erschließt? ….

Ohne werten zu wollen, muss ich gestehen, dass mir zu diesem pseudo- oder populärwissenschaftlichem Essay als erstes Otto der Ostfriese eingefallen ist, mit „Hirn an Hand: Faust ballen! Faust ausfahren….“ Als zweites assoziierte ich: Otto, warum hast du so große Ohren? …

Ich habe mir als Kind jedenfalls gedacht, dass das Grimm Märchen bedeutet, dass man sich vor gefährlichen Tieren in Acht nehmen soll, denn die können sich auch gut verstellen, die Farbe wechseln, sich aufblasen oder tot stellen und sich auf den Rücken legen, wie meine Katze, wenn sie einen Vogel fangen möchte.

Später dachte ich mir, dass ein Wolf nicht böse ist wenn er frisst, also ist er nur böse, weil er mehr frisst als ein normaler, braver Wolf, der vielleicht nur einen Teil von der Großmutter gefressen hätte.
Bedeutet die Signalfarbe des roten Käppchens nicht: „Achtung, ich bin giftig! Wenn du mich frisst, stirbst du.“? Auch wenn ich ein kleines, süßes, liebes Mädchen bin, überlege dir gut, ob du dich mit mir anlegen willst. Der böse (weil gefräßige) Wolf hat die Warnung nicht ernst genommen und bezahlte es mit dem Leben. So kann es dir übrigens auch mit dem Fliegenpilz ergehen, wenn du nicht auf das weiß getupfte, rote Käppchen achtest, nicht genug bekommen kannst und seine psychotrope Eigenschaft im Schwammerlgulasch haben möchtest.

Moral der Geschichte: Friss keine kleinen Kinder mit roten Käppchen und auch keine Pilze, wenn du sie nicht kennst. 😉

Weblinks:
Rotkäppchen Wikipedia
Rotkäppchen und der Stress
Excerpt pdf


Bildquelle: Screenshot von Rotkäppchen und der Stress

(1932)


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