48) * Hämostase

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Die Hämostase ist v.a. nach Verletzungen für die Wiederherstellung der Integrität des Gefäßsystems verantwortlich. Zuerst wird dabeieinmal unterschieden in primäre Hämostase = Blutstillung und in sekundäre Hämostase = Blutgerinnung.

1. Primäre Hämostase (Blutstillung)

Nach einer Verletzung sistiert normalerweise die Blutung nach ca. 1 bis 3 min (Blutungszeit). Diese vorläufige, primäre Hämostase kommt durch Vasoconstriction und Verschluß des Gefäßes durch einen Thrombocytenpfropf zustande (Thrombocytenadhäsion).

Die Thrombocyten (Blutblättchen) können sich bei nicht intakter Endothelzellschicht an subendotheliale Strukturen (Basalmembran; Kollagen) haften. Dazu ist der von Willebrand Faktor (vWF) erforderlich. Der vWF setzt sich einerseits am Plättchenreceptor (Gb Ib/Is) und andrerseits am Kollagen fest. Bei dem vWF handelt es sich um ein Glykoprotein, welchs subendothelial, in Thrombocyten und im Plasma an F VIII gebunden vorkommt.

Er bilder Brücken zwischen subendothelialen Strukturen und den Plättchenreceptoren (Ib).

Ein erblicher Mangel an dem Glykoprotein Ib, welches den thrombocytären Membranreceptor darstellt, wird als Bernard-Soulier-Syndrom bezeichnet.

Als Folge der Adhäsion formen sich die Thrombocyten (Thc) um, werden kugelig mit stacheligen Fortsätzen und es kommt zur Freisetzungsreaktion.

Aus verletzten Zellen stammendes ATP, ADP aus den Granula und A verstärken die weitere Plättchenaggregation.

Die Inhaltsstoffe der elektonendichten a-Granula: Serotonin, Catecholamine und ADP bewirken auch eine Vasoconstriction, wodurches zu der sog. Reperaturischämie kommt.

Durch die weitere Aggregation und Strukturauflösung (Freisetzungsreaktion) der Thc werden Phospholipide (Pf3) der Thc-Zellmembran freigelegt. Phospholipase bildet daraus Arachidonsäure, welche durch Cyclooxygenase in Endoperoxyde und Thromboxan (A2) umgewandelt wird (A2 mobilisiert Ca++ und dieses wiederum fördert die Freisetzung von Serotonin und ADP aus den Granula). Es kommt zu einer positiven Rückkopplung durch den Plättchenfaktor 3 (Pf3), ADP und Thrombin.

Zur Auslösung der Thc-Aggregation ist auch Fibrinogen erforderlich. Es ist also nicht nur beider sekundären Hämostase (Fibringerinnsel schließt Thc ein) notwendig, sondern es „reagiert“ auch mit den Thc-Receptoren IIb und IIIa. Das Fehlen dieser Receptoren führt bei normaler Thc-Zahl zu verstärkter Blutungsneigung, zur Glanzmann-Näegeli-Thrombastenie.

Ähnliche Wirkung wie Fibrinogen zeigen Fibronectin und Thrombospondin (gespeichert in a-Granula). Weiteres zu Thc, Thc-Zahl und -Funktion siehe unter „Kleiner Gerinnungsstatus“.

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2. Sekundäre Hämnostase (Blutgerinnung)

Nach der Blutstillung folgt die Blutgerinnung, wobei hier ein endogenes und ein exogenes Syxstem unterschieden wird. Obwohl nach der Bildung des weißen Abscheidungsthrombus die Vasoconstriction im Verletzungsgebiet wieder nachläßt, ist normalerweise die Gefahr des Herausspülens nicht gegeben. Denn inzwischen ist die sekundäre Hämostase soweit fortgeschritten, daß verletzte Gefäße duch Fibringerinnung und Einschließung von Ery. u.a. Blutzellen (Bildung des roten Abscheidungsthrombus) endgültig, irreversibel abgeschlossen werden.

Grundschema (Morowitz 1905):

Beim Zerfall von Thc entsteht durch Prothrombinaktivator (= Thrombokinase) das Plasmaprotein Thrombin aus Prothrombin. Thrombin spaltet dann aus Fibrinogen Fibrin ab; es entsteht ein fädiges Fibringerinnsel – gallertartiger Zustand des Blutes (Koagel).

Bevor ich auf die Gerinnungskakade des edogenen und des exogenen Systems und auf die Fibriolyse zu sprechen komme, möchte ich kurz die Gerinnungsfaktoren vorstellen.

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3. Gerinnungsfaktoren

Proteolytische, inaktive Proenzyme im Plasma, Serinproteasen; Aktivierung – kaskadenartige Reaktion; Konzentration im Plasma nmol/l bis µmol/l.

Gerinnungs-faktor

Bildungs-ort

Substanz

Bemerkung

Mangel

I, Fibrinogen

Leber

Vorstufe des Fibrins

Afibriogenämie, Verbrauchskoagulopathie, Leberparenchymschaden

II, Prothrombin

Leber; Vit. K-abhängig

a1-Globulin

Leberschäden , Vit.K -Mangel, (autosomal recessiv vererbbar) Verbrauchskoagulopathie

III,Gewebethromboplastin

Gewebezellen

Phospholipoprotein

aktiv im extrinsischen System

IV, Ca++

erorderlich für die Aktivierung der meisten Gf

V, Proaccelerin

Leber

F Va ist Bestandteil des Prothrombinaktivators

bindet an Thc-Membran wird aktiviert durch F Iia und Ca++;

Parahämophilie, Lebererkrankungen

V = Va

a = aktivierte Form

VII, Proconvertin

Leber, Vit. K-abhängig

F VIIa aktiviert mit F III und Ca++ den F C im extrinsischen System

Vit.K-Mangel; Hypoproconvertinämie

VIII,antihämophiles Globulin

bildet mit vWF Komplex

wird durch FIIa und Ca++ aktiviert; F VIIIa ist Cofaktor bei der Umwandlung von FX in Fxa;

Hämophilie A x-chromosomal; v.W.-Syndrom autosaomal vererbbar

IX, Christmas Faktor

Leber; Vit.K-abhängig

FIXa aktiviert mit PF3, FVIIIa und Ca++ den FX im intrins. System;

Hämophilie B

X, Stuart-Power-Faktor

Leber; Vit.K-abhängig

Xa ist Bestandteil des Prothrombinaktivators

XI, Plasmathromboplastin antecedent

g-Globulin

Verbrauchskoagulopathie oder angeborener Mangel

Hagemanfaktor

b-Globulin

Formänderung bei Kontakt mit Oberfläche; Aktivierung durch Kallikrein;

angeborener Mangel, Verbrauchskoagulopathie, Hageman-syndrom

XIII, Fibrinstabilisierender Faktor

Megakaryocyten

bewirkt Fibrinvernetzung

Fletcher Faktor (Präkallikrein)

wird aktiviert durch F XIIa-Bruchstücke; er aktiviert FXII

Fitzgerald Faktor Hoöchmolekulares Koninogen (HMK)

a-Globulin

unterstützt Aktivierung von F XII und XI

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4. Gerinnungskaskade

Primäre Hämostase Sekundäre Hämostase

Wie im Schema 1 ersichtlich ist, nimmt die Aktivierung des F X zu F X a eine zentrale Stellung bei der Blutgerinnung ein. Die Aktivierung ist einerseits durch das endogene System (Komplex aus F IXa, F VIIIa, Ca++ und Phospholipoprotein)) und andererseits durch das exogene System (Komplex aus F VIIa, Ca++ und GTP) möglich.

Die Funktion des Prothrombinaktivators (F Xa, F Va, Ca++ und Phospholipoprotein) erklärt sich schon durch die Bezeichnung. Thrombin spaltet schließlich Fibrinopeptide vom Fibrinogen ab. FXIII bewirkt letztendlich die Vernetzung und Stabilisierung der Fibrinmonomere bzw. -polymere zu unlöslichem Fibrin.

Das dimere Fibrinogen wird zuerst in Untereinheiten aufgespalten, bevor durch Thrombin die Fibrinopeptide A und B abgespalten werden (beide wirken übrigens vasokonstriktorisch). Die zurückbleibenden Fibrinmonomere polymerisieren unter Anwesenheit von Fibrinopeptid A und Ca++ zu einem Gel, das z.B. mit Harnstoff noch verflüssigbar ist. Erst durch den fibrinstabilisierenden Faktor XIIIa entsteht der unlösliche Thrombus aus Fibrinpolymeren, der seine endgültige Form nach der Retraktion erhält.

Die Gerinnungskaskade kann also durch Freisetzung von Gewebethromboplastin aus der Gefäßwand (exogenes System), oder durch Aktivierung von F XII durch Kollagen (endogenesSystem), sowie auch durch aktivierte Blutplättchen gestartet werden.

Zwischen extrinsischem und intinsischem System existieren Querverbindungen (alternativer Weg der Gerinnung).

F VII und GTP des extrinsischen Systems können auch den intrinsischen Faktor IX aktivieren, was erklärt, warum es bei F IX oder F VIII-Mangel zu ausgeprägteren hämorrhagischen Diathesen (Blutungsneigungen) kommt als bei F XI oder F XII-Mangel.

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5. Nachgerinnung

Innerhalb von Stunden geht die gallertartige Masse durch Retraktion der Fibrinfäden in den sog. roten Blutkuchen über, welcher Blutzellen enthält – darüber dindet man gelbes, fibrinogenfreies Plasma (in vitro).

Die Thc sind auch in dieser Phase an der Gerinnung beteiligt, dann sie enthalten Thrombastenin (actinlmycinähnliches Protein), daß sich unter ATP-Spaltung kontrahieren kann. Durch die Retraktion und durch Zusammenziehen der Wundränder erfolgt eine mechanische Festigung.

Später sprossen dann Bindegewebszellen (Fibroblasten) ein.

Der Blutgerinnung folgt normal eine Fibrinolyse, wodurch sich das Gerinnsel wieder auflöst und das Gefäß wieder durchgängig wird.

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6. Fibrinolyse

Sie führt zur Auflösung von Fibringerinnseln. Auch im intakten Organismus wird ständig etwas Fibrinogen in Fibrin umgewandelt und wieder fibriolytisch abgebaut. Erst nach Verletzung, also zusätzlicher Aktivierung, kommt es zur lokalen Gerinnung.

Das im Plasma vorhandene Protein (Globulin) Plasminogen kann durch Gewebe- oder Blutfaktoren (Fibrinolysokinasen) analog dem extrinsischen und in tinsischen System der Gerinnung, aktiviert werden, und zwar zu Plasmin (Fibriolysin).

Plasmin ist eine Serinprotease, die Fibrin durch Abspaltung löslicher Peptide aufzulösen vermag und gleichzeitig Thrombin hemmt. Außerdem spaltet Plasmin Fibrinogen, Prothrombin und die Faktoren V, VIII, IX, XI und XII, wodurch es ebenfalls zu einer Verminderung der Gerinnungsfähigkeit kommt.

þ Die aus dem Gewebe stammenden Plasminaktivatoren vermögen Plasminogen direkt umzuwandeln (höchste Aktivität im Myometrium des Uterus). Auch Urokinase ist ein besonders wirksamer Gewebeaktivator.

þ Die Blutaktivatoren, u.a. auch F XIIa, bedürfen sog. Proaktivatoren, wie z.B Präkallikrein. Die Lysokinasen können von geschädigten Blutzellen stammen. Die Streptokinase ist eine Fremdlysokinase, die von hämllytischen Streptokokken stammen (Einsatz zur Behandlung von Thrombosen).

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7. Körpereigene Hemmfaktoren der Gerinnung und der Fibrinolyse

Plasma enthält Serinproteaseinhibitoren. Bedeutsam für die Gerinnungshemmung ist das Antithrombin III, welches die Wirkung der Faktoren IIa, Xa, XIa und XIIa, sowie des Kallikreins einschränkt.

Weiters hemmt Protein C die Faktoren Va und VIIIa.

Andere Inhibitoren sind a1-Antitrypsin, a2-Makroglobulin und CO1-Inaktivator. Plasmin wird h.s. durch a2-Antiplasmin gehemmt. Therapeutisch werden synthetische Proteinasehemmstoffe, wie z.B. e-Aminocarponsäure zur Fibriolyseverlangsamung eingesetzt.

Obwohl die Vorgänge im Hämostasesystem h.s. an Oberflächen ablaufen (also nicht in der flüssigen Phase), ist die gemessene Aktivität der einzelnen Gerinnungsfaktoren bzw. Inhibitoren im Plasma trotzdem relevant für die Diagnose von Gerinnungsstörungen. Wenn das Gleichgewicht der gerinnungsfördernden und -hemmenden Faktoren gestört wird, kommt es entweder zu einer erhöhten Gerinnungaktivität oder eben zu einer verstärkten Blutungsneigung. Ersteres erhöht die Thrombosegefahr. Letzteres äußert sich z.B. durch Nachbluten, Hämatome, Gelenkblutungen (meist traumatische Ursache; größere Gefäße sind betroffen).

Im Gegensatz dazu kommt es bei thrombocytären Störungen zu punktförmigen Blutungen aus den Capillaren (siehe „kleiner Gerinnungsstatus“).

þZu einem erworbenen Mangel an Gf kann es nach starken Blutungen (Verbrauchskoagulopathien) oder nach Infektionen kommen. Auch Lebererkrankungen (F II, VII, IX, X) oder Vitamin K-Mangel (Fettresorption) können Ursache für einen Gf-Mangel sein (Vitamin K wird von Darmbakterien gebildet).

Bei angeborenem Mangel sind meist einzelne Gf betroffen. Bei der, beim männlichen Geschlecht autretenden, x-chromosomal rezessiv vererbbaren Bluterkrankheit besteht meist ein Mangel an F VIII – Hämophilie A, und seltener ein Mangel an F IX – Hämophilie B.þHemmung der Blutgerinnung:

.) Temperatursenkung verlangsamt die extravasale Gerinnung.

.) Nichtbenetzbare Oberflächen (Silikon) – kaum Thc-Aggregation.

.) Verhinderung der Gerinnung durch Binden der Ca++ in Komplexverbindungen, z.b. durch Na-Oxalat, K-Oxalat, Na-Citrat oder Chelatbildner wie EDTA (Ethylen-diaminl-tetraacetat).

.) Intra- und extravasal hemmt Heparin die Blutgerinnung. Heparinreich sind Leber-, Lunge-, Herz-, Muskel- u.v.a. Mastzellen und basophile Granulocyten. Heparin bildet einen Komplex mit Antithrombin III und hemmt die Thrombinwirkung (Wirkungsdauer aber 4 bis 6 h).

Zur Dauertherapie sind Cumarinderivate am besten geeignet. Sie wirken als Vitamin K-Antagonisten. Weitere Antikoagulantien sind dHirudin (im Speichel von Blutegel), Schlangengifte, Insektenspeichel (Tabanin).

Bzgl. Gerinnungsprüfung und Zwischenfragen siehe nächste Frage.

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