42) Transportvorgänge zwischen Blut und Gewebe

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1. Einteilungen der Capillaren

Der Ort des Geschehens ist eimal mehr eine Membran, bzw. die Capillarwand. Man unterscheidet zumindest in:

  • Capillaren mit durchgehender Membran (z.B. im Skeletmuskel, blatter Muskulatur, BG, Fett, Lunge);
  • Capillaren mit gefensterter Membran (z.B. Niere, Darm);
  • Capillaren mit diskontinuierlicher Membran (z.B. Knochenmark, Sinus der Leber und Milz) bezgl. genauerer Einteilung siehe Lehrbücher der Histologie.

Als mittlerer Durchmesser kann 6 µm angenommen werden (die verformbaren Ery. müssen noch passieren können). Wird weiters eine Länge von ca. 750 µm angenommen, wobei die Venolenmembran – die auch noch am Austauschvorgang beteiligt ist – einbezogen ist, so ergibt sich eine Austauschfläche von ca. 0,02 mm² pro Capillare und wenn 4 * 1010 Capillaren insgesamt vorhanden sind, beträgt die Gesamtaustauschfläche ca. 1 000 m².


Da die Strömungsgeschwindigkeit in der Aorta ca. 200 mm/s und in der Capillare ca. 0,3 mm/s ist, der Aortenquerschnitt mit 4 cm² angenommen werden kann, und in Ruhe ca. 30% der Capillaren durchblutet sind, kann für den Gesamtquerschnitt der Capillaren ca. 1 m² angenommen werden. Die Perfusion wird, abgesehen von den arteriovenösen Anastomosen (direkte Verbindungen von Arteriolken zu Venolen), durch die vorgeschalteten Widerstandsgefäße, Arteriolen und Metarteriolen mit präcapillaren Sphincteren einerseits, und durch nachgeschaltete Venolen andererseits, reguliert (vergleiche mit Serien- un Parallelschaltung von Widerständen). Die Gefäße zwischen Arteriolen und Venolen werden als terminale Strombahn bezeichnet. Diese bietet durch die große Oberfläche und die geringe Strömungsgeschwindigkeit (bzw. relativ lange Kontaktzeit) ideale Voraussetzungen für die Austauschvorgänge zwischen Blut und interstitieller Flüssigkeit (IF). Das Gesamtkörperwasser ist ungefähr wie folgt verteilt:

Wasserverteilung im Körper (Graphik):

Das Körperwasser kann also in ICF 60% und ECF 40% unterschieden werden. Die 40% setzen sich zusammen aus 31% Wasser desw Interstitiums, 7% des Plasmas und 2% der transcellulären Flüssigkeit (Kammerwasser, Liqur c., usw.).

Der Austausch erfolgt einerseits durch Diffusion und andererseits durch Filtration.

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2. Diffusion

Sie spielt für den Austausch weitaus die größte Rolle, was wegen des imposanten Vorgangs der Filtration aber oft übersehen wird. Die Diffusionsgeschwindigkeit ist dabei so hoch, daß während einer Capillarpassage (1 bis 2 s) das Wasser des Plasmas mit dem des Intertitiums ca. 40 mal ausgetauscht wird. Insgesamt werden täglich ca. 85 000 l durch Diffusion ausgetauscht. Wasserlösliche Substanzen wie Glucose, Na+, Cl- diffundieren nur durch wassergefüllte Poren (Glucoseaufnahme in die Zelle erfolgt hingegen z.B. durch Na+-Cotransport, der gegen einen Glucosekonzentrationsgradienten funktioniert). Aufgrund der Molekulargröße kann z.B. Na+ leichter diffundieren als Glucose oder gar Albumin; (nicht aber wie K+, denn der Radius des Na+-Ions ist nur kleiner ist als der des K+ wenn die Ionen nicht mit einer Hydrathülle umgeben sind; Einfluß auf die Permeabilität von Na+ bzw. K+).

Die relative Permeabilität wird auf die Permeabilität von H2O bezogen, welche 1 gesetzt wird. Für Glucose ergibt sich eine relative Permeabilität von ca. 0,6 und für Albumin hingegen kann man eine Permeabilität von 0,0001 finden.

Größere Moleküle können die Capillarwand durch Pinocytose bzw. Emeiocytose passieren. (Exo-bzw. Endocytose erfolgen durch Verschmelzung von Membranbläschen mit der Zellmembran). Die Donnan-Gleichgewichtsreaktion spielt wegen der geringen Konzentrationsunterschiede an Ionen eine untergeordnete Rolle. Lipidlösliche Substanzen wie Alkohol, oder auch O2 und CO2 können frei durch die gesamte Membran diffundieren, also nicht nur durch wassergefüllte Poren, daher sind auch die Transportraten viel größer als für wasserlösliche Substanzen.

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3. Filtration und Reabsorption

Normalerweise liegt ein Fließgleichgewicht (Starling) zwischen

filtrierter, reabsorbierter und abtransportierter

Flüssigket vor.

Die Filtration und Rabsorption werden h.s. durch den hydrostatischen Druck = P(h) und den kolloidosmotischen Druck = P (o), sowie durch den Filtrationskoeffizienten = K bestimmt.

Starlingkräfte:

Filtrationsdruck – Reabsorptionsdruck

(Ñ= V/min = [{íP(h)cap + P(o)IFý} – {íP(o)cap + P(h)IFý}] * K

Ñ = positiv bei Filtration und negativ bei Reabsorption. K beschreibt die Permeabilität einer isotonen Flüssigkeit pro Torr, bei 37° C in 100 g Gewebe.

  • Für P(h)cap werden Wertevon 32,5 Torr am Anfang und 15 Torr am Ende der Capillare gefunden; als mittlerer P(h)cap ergeben sich ca. 23,5 Torr (Strömungsverhältnisse können an Fingernagelbett-Capillaren direkt unter dem Lichtmikroskop untersucht werden).
  • Für P(h)IF (Druck nach innen; direkte Messung ist im ca 1 µm breiten Spalt nicht möglich ) nimmt man Werte um 3 Torr an.

Achtung! Normal ist die Weitbarkeit (V/P) des interstitiellen Raumes sehr gering, aber ab einem bestimmten kritischen Wert nimmt sie stark zu, sodaß eine Ödembildung möglich wird; (Vergleiche mit der Compliance der Lunge und der Gefäße).

  • Für P(o)cap (Druck nach innen) werden durch die ca. 70 g/l Proteine etwa 25 mm Hg angenommen. Die Permeabilität steigt dabei vom art. zum ven. Ende der Capillare an (größere Poren), was sich auf den P(o)cap und P(o)IF auswirkt.
  • Für P(o)IF (Druck nach außen= werden 5 mm Hg angenommen. (Im art. Abschnitt ist er aber gringer als im venösen – siehe oben).

Am arteriellen Ende ergibt sich somit ein effektifer Filtrationsdruck von:

nach außen: P(h)cap 32,5 mm Hg + P(o)IF 5,0 mm Hg =

gesamt nach außen: 37,5 mm Hg

nach innen: P(o)cap 25,0 mm Hg + P(h)IF 3,0 mm Hg

gesamt nach innen: 28,0 mm Hg

Der effektife Filtrationsdruck ist somit 37,5 Torr minus 28 Torr = 9,5 Torr.

Am venösen Ende hingegen findet man:

nach außen: P(h)cap 15,0 mm Hg + P(o)IF 5,0 mm Hg

gesamt nach außen: 20,0 mm Hg

Der nach innen gerichtete Druck bleibt dem arteriellen Druck ungefähr gleich, daher ergibt sich als

effektiver Filtrationsdruck: 20 Torr minus 28 Torr = -8 Torr.

Der effektive Reabsorptionsdruck ist daher 8 Torr.

D.h. der nittlere Filtrationsdruck ist etwas größer als der mittlere Reabsorptionsdruck (im Beispiel sind es 1,5 mm Hg), wodurch ca.90% der filtrierten Flüssigkeit wieder reabsorbiert werden. 10% werden über die Lymphe abtransportiert.

Die Gesamtfiltrationsrate aller Capillaren beträgt ca. 14 ml/min, also 20 l/d und die Reabsorptionsrate ca. 18/ld, d.h. es werden etwa 2 l/d über die Lymphe abtransportiert.

Bei Störung dieses Gleichgewichtes treten Volumenverschiebungen zwischen intravasculärem und interstitiellen Raum auf, was bedeutsam für die Kreislaufregulation (siehe mittelfristige Blutdruckregulationsmechanismen) und bei der Bildung von Ödemen.

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4. Mögliche Ursachen einer veränderten effektiven Filtration

  • Blutdruckänderungen im arteriellen System (z.b. durch vasomotorische Steuerung).
  • Blutdruckänderungen im venösen System (venöser Rückstau; Herzinsuffizienz kann z.B. zu erhöhtem venösen Druck und somit zu verstärkter Filtration führen).
  • Änderung des Proteingehaltes (Hypoproteinämie – Ödembildung; auch bei Leber-Cirrhose wegen verminderter Proteinbildung, oder bei Nephrose durch hohe renale Eiweißverluste).
  • Histamin, Kinine u.a. erhöhen die Permeabilität und können so zu einem Ödem führen (z.B. bei Verbrennungen, Entzündungen oder bei allergischen Reaktionen).
  • Verminderter Lymphabfluß kann ebenfalls eine Ödembildung bewirken.
  • Veränderung der Zahl der durchströmten Capillaren (Änderung der Austauschfläche durchmetabolische oder sympathische Beeinflussung).

Erhöhte Filtration:

Eine erhöhte Filtration kann also u.a. entstehen durch: BD é, Muskelarbeit (Dilatation der präcap. Sphincteren), Orthostase, Blutvolumen é, venöser BD é Hypoproteinämie, Permeabilität é, Erhöhung der osmotisch wirksamen Teilchen im interstitiellen Raum (Salz-, Wasserretention).

Beim hypovolämischen Schock geht die reflektorische Constriction der präcapillären Sphincteren in eine metabolisch bedingter Dilatation über, wobei die Venolen weiterhin kontrahiert bleiben, sodaß es zu einer Stauung -„Sequestration“- von blut in den capillaren kommt. Durch die Erhöhung des Druckes in den Capillaren kommt es sogar Blut von den Capillaren ins Gewebe, was das intravasale Volumen weiter vermindert.

Septischer Schock und anaphylaktischer Schock:

BDê, HMVê, Gewebeperfusion ist gefährdet; „roter Schock“ – generalisierte Vasodilatation, Permeabilitätserhöhung durch Histamin, Bradykinin usw. – Auswirkungen auf die Mikrozirkulation je nach Schockform und Stadium verschieden – siehe Frage „Schock“.

Erhöhte Reabsorption:

Eine erhöhte Reabsorption kommt u.a. zustande durch: BD ê, Constriktion der Widerstandsgefäße, Blutverluste.

Der vorzeitigen Ödembildung bei geringen Gleichgewichtsabweichungen wirkt einerseits die geringe Weitbarkeit des interstitiellen Raunes entgegen, und andererseits der verstärkte Lymphabfluß bei erhöhter Filtration. Dadurch wird eine erhöhte Proteinausschwemmung für eine Abnahme des Ponk im Interstitium bewirkt. Die Proteinkonzentration im interstitiellen Raum wird auch als Indikator für die Capillarpermeabilität angesehen. Sie beträgt normal in der Lymphe der Leber ca. 60 g/l, in der Muskulatur 20 g/l und z.B. in der Haut 10 g/l. Die Eiweißpermeabilität steigt vom arteriellen zum venösen Abschnitt hin an (größere Poren). Der Abtransport der Lymphe (blinde Capillarenden, Klappen) wird durch eine, der Muskelvenenpumpe analoge, Lymphpumpe unterstützt. Proteine, die nicht reabsorbiert werden können, werden u.a. über die Lymphe aus dem Interstitium abtransportiert. Wichtig ist auch die Drainagefunktion (Ableitung von Flüssigkeitsansammlungen durch Lymphcapillaren, die bei erhöhter Filtration eine Ödembildung bis zu einem gewissen Grad verhindern kann).

Die Filtration hat also wesentliche Aufgaben bei der Konstanthaltung der Volumina. Für den Stoffaustausch spielt die Filtration, abgesehen vom sovent drag (Mitreißen gelöster Teilchen) nur eine geringe Rolle. Der weitaus größte Teil des Austausches erfolgt durch Diffusion (z.B. für H2O, O2, CO2, Glucose usw.

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5. Skizzen zur Filtration und Reabsorption unter verschiedenen Bedingungen

Merke:
Die Gesamtaustauschfläche beträgt etwa 1 000 m² Capillarmembran.

Die Perfusion wird über vorgeschaltete Widerstandsgefäße und durch die nachgeschalteten Venolen reguliert. Durch die relativ lnge Kontaktzeit (bedingt durch die große Oberfläche und der kleinen Strömungsgeschwindigkeit) sind ideale Vorraussetzungen für den Austausch zwischen Blut und interstitieller Flüssigkeit gegeben. Quantitativ spielt die Diffusion die wichtigste Rolle für den Austausch. Täglich werden ca. 850 hl Wasser durch Diffusion ausgetauscht. bei einer einzigen Capillarpassage (1 – 2 s) erfolgt ca. 40 mal ein Austausch von Plasmawasser und em des Interstitiums.

Wasserlösliche Stoffe diffundierren durch wassergefüllte Poren. Wasser wird als Maßstab für die Permeabilität verwendet.

Die Permeabilität ist für: Wasser 1, für Glucose 0,6 und z.B. für Abumin =,0001.

Lipidlösliche Substanzen (Alkohol, O2, CO2…) können frei durch die Membran diffundieren und weisen daher eine wesentlich höhere Transportrate auf als wasserlösliche Stoffe. Mitentscheidend für die Transportrate ist natürlich u.a. auch die Molekülgröße. Normalerweise liegt ein Gleichgewicht zwischen filtrierter, reabsorbierter und abtransportierter Flüssigkeit vor.

(Ñ= V/min = [{íP(h)cap + P(o)IFý} – {íP(o)cap + P(h)IFý}] * K

Der effektive Filtrationsdruck beträgt am arteriellen Ende der terminalen Strombahn ca. 0,5 Torr und am venösen Ende etwa -8 Torr. Der Unterschied bewirkt, daß ca. 90% der filtrierten Flüssigkeit wieder reabsorbiert werden und 10% über die Lymphgefäße aus dem Interstitium abtransportiert werden. Die Gesamtfiltrationsrate beträgt etwa 14 ml/min.

Zu einer erhöhten Filtration führen: BDé, Muskelarbeit, Ortostase, Blutvolumené, venöser BDé und osmotisch wirksame Teilchené.

Zu einer erhöhten Reabsorption führen u.a.: BDê, tpWé,Blutverluste.

Die Proteinkonzentration im Interstitium kann als Indikator für die Capillarpermeabilität angesehen werden. Im venösen Capillarabschnitt ist eine höhere eiweißpermeabilität vorzufinden als im arteriellen Abschnitt. Die wichtigste Aufgabe der Filtration stellt die Konstanthaltung der Intrvalsal- und der intrstitiellen Volumina dar.

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6. Zwischenfragen

  • Welche hydrostatischen Druckverhältnisse findet man in der terminalen Strombahn vor?
  • Wie hoch ist der onkotische Druck im Blut und wie hoch im Interstitium?
  • Wie hoch ca. der osmotische Druck?
  • Welche Aufgasbe erfüllt die Filtration?
  • Was wird durch Filtration, und was durch Diffusion ausgetauscht?
  • Warum wird zuerst mehr filtriert als dann reabsorbiert wird?
  • Wie hoch ist der Filtrationsdruck?
  • Wieviel Wasser wird pro Tag ungefähr filtriert?
  • Wieviel davon wird über die Lymphe abtransportiert?
  • Welche Ursachen können für veränderte Filtrationsvorgänge vorliegen?
  • BD-, Schock-Auswirkung auf die Capillarfiltration?
  • Welche Gefahr besteht bei Sistieren der Capilarfiltration?
  • Welche Austauschvorgänge abgesehen von Diffusion und Filtration kennen Sie noch?
  • Wie werden größere Partikel durch die Membran transportiert

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