29) * Gleichgewichtsempfindung

(Last Updated On: 23. April 2014)

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1. Peripherer Anteil

1.1 Der Vestibularapparat

Der Vetibularapparat dient, wie das Auge, die Oberflächen- und die Tiefensensibilität der Erhaltung des Gleichgewichtes, Orientierung im Raum und Registrierung aller Arten von Beschleunigung wird durch das Vestibularorgan möglich. Der vestibulo-cochleäre Reflex sorgt für die Stabilisierung des Gesichtsfeldes bei Kopfbewegungen. Durch Vestibularisreize werden langsame Bewegungen und schnelle Gegenbewegungen (Nystagmus) der Augen ausgelöst.

Die Macula utriculi (waagrecht), und die Macula sacculi (senkrecht) reagieren auf lineare Beschleunigung.

Das Sinnesepithel der Maculae, sowie der Cupulae der Bogengänge ist von einer gallertigen Masse (Mucopolysaccharide) bedeckt. Bei den Maculae (Otolitenmembran, Sotatolithenorgan) sind kleine Calciumcarbonat-Kristalle in die Masse eingelagert. Die Gravitation und lineare Beschleunigungen bewirken eine Parallelverschiebung der Otokonien, wodurch die Cilien der Sinneszellen ausgelenkt werden. Werden die Cilien in Richtung Kinocilien bewegt, so wird das Sensorpotential erhöht; bei Auslenkung in díe Gegenrichtung erfolgt eine Hemmung. Der adäquate Reiz ist also die Scherung, die auf die Härchen wirkt. Bei jeder Stellung des Schädels nimmt die Otholithenmembran gegenüber den Sinneszellen eine bestimmte Lage ein, die zu einer bestimmten Erregungskonstellation führt.

Die gallertigen Cupulae in den Ampullae der Bogengänge müssen alle Bewegungen der Endolymphe mitmachen, da sie endolymphedicht sind.

Die Endolymphverschiebung und somit die Auslenkung der Cupula kann verursacht werden durch:

Drehbewegung des Kopfes, durch thermische Reize oder durch Druck auf den häutigen Bogengang.

Die Bogengänge in den drei Ebenen des Raumes reagieren auf Winkelbeschleunigung, nicht aber auf lineare Beschleunigung oder auf die verschiedenen Kopfpositionen im Gravitationsfeld.

Durch die Drehbeschleunigung kommt es zu einer Trägheitsströmung der Endolymphe, wodurch die Cupula ausgebuchtet wird und in weiterer Folge die Sinneshaare ausgelenkt werden. Die Schwellwerte sind für die horizontalen Bogengänge niedriger als für die vertikalen.

Durch utriculopedale Auslenkung (Cupula wird in Richting Utriculus ausgelenkt) wird die Ruheaktivität erhöht, durch eine utriculofugale Auslenkung hingegen wird sie vermindert. Bei kurzdauernden Winkelbeschleunigungen entspricht die Cupulaauslenkung bzw. die neuronale Entladungsrate nicht der Winkelbeschleunigung, sondern der Winkelgeschwindigkeit. Bei langandauernden Drehbewegungen (Drehstuhl) wird die Cupula zuerst durch die Beschleunigung ausgelenkt, kehrt aber während der gleichförmigen Drehbewegung langsam wieder in die Ausgangslage zurück.

Bei schnellem Stop kommt es aufgrund der Trägheit der Endolymphe zu einer Auslenkung in die Gegenrichtung. Für das unterschiedliche Verhalten bei kurz- bzw. langandauernden Reizen ist die Ursache in mechanischen Eigenschaften des Systems zu suchen. Wenn auch bei kurzen Winkelbeschleunigungen die Cupulaauslenkung der Winkelgeschwindigkeit und nicht der Winkelbeschleunigung proportional ist, so ist zu bedenken, daß ausschließlich Beschleunigungskräfte zur Cupulaauslenkung führen können. Schon bei schneller Körperdrehung von 0,005° sind am Versuchstier stark überschwellige Reize feststellbar.

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2. Zentraler Anteil

Der N. vestibularis endet zentral in den Vestibulariskernen der Medulla oblongata: Ncl. superior (Bechterew), Ncl. medialis (Schwalbe), Ncl. lateralis (Deiters) und Ncl. inferior (Roller).

Die Vestibulariskerne erhalten auch Eingänge von den Proprioceptoren des Halses, um die Stellung des Kopfes zum Körper erfassen zu können. Weiters sind auch somatosensorische Eingänge von anderen Gelenken zu finden.

Für die statokinetischen Reflexe, posturale Synergien u.a. der Erhaltung des Gleichgewichtes dienenden Reflexe sind h.s. folgende von Bedeutung:

1.) Tractus vestibulspinalis – im Endeffekt h.s. zu den g-Motoneuronen der Extensoren, aber auch zu den a-Motoneuronen ;

2.) Projektionen zum Archi- (Vestibulo-) cerebellum

3.) Projektionen über das mediale Längsbündel zu den Augenmuskelkernen -„vestibulo-oculäre-Reflexe“;

4.)Projektionen zur Formatio reticularis und weiters über den Tractus reticulospinalis wieder zu den a- und g-Motoneuronen;

5.) Projektionen zum Gyrus postcentralis – sie verlaufen über den Thalamus, und dienen der bewußten Raumwahrnehmung;

6.) Projektionen zum Hypothalamus (diese sind auch bei Bewegungsstörungen /Kinetosen/ bedeutsam);

7.) Projektionen der Kerne zu der kontralateralen Seite.

Das vestibuläre System nimmt eine zentrale Stellung bei der Koordination von Stütz-, Ziel- und Blickmotorick ein.

Die Maculaorgane sind dabei h.s. für Aufgaben beim Stehen und Gehen verantwortlich, und die Bogengänge für die Blickführung.

Die außerordentlich wichtige Aufgabe des Kleinhirns bezüglich des Gleichgewichtssinnes sieht man z.B. bei Ausfall oder Schädigung des Vestibulocerebellums; die Symtome bei der cerebellären Ataxie reichen von Gleichgewichtsstörungen, Störungen der Oculomotorik (Pendelnystagmus – spontane Pendelbewegungen der Bulbi) bis zur Rumpf- und Gangataxie mit Fallneigung bes. bei Schrittbewegungen.

Wie gesagt, sind die Maculaorgane h.s. als vestibuläre Eingangsstruktur für statische Reflexe (Haltungs- und Stellreflexe) verantwortlich. Ein Beispiel ist das Gegenrollen der Augen bei Neigung des Kopfes zur Seite, wodurch ein Bild vor der Umgebung aufrecht bleibt.

Für die statokinetischen Reflexe hingegen sind h.s. die Bogengänge zuständig (Auffangbewegungen beim Stolpern etwa). Ein besonders wichtiger statokinetischer Reflex, der auch im Praktikum geprüft wird, ist der vestibuläre Nystagmus.

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3. Vestibulärer Nystagmus

Ich erinnere daran, daß im Praktikum der optokinetische, der rotatorische, der postrotatorische, sowie der kalorische Nystagmus überpüft werden.

Der vestibuläre Nystagmus dient dazu, um die Augen bei einer größeren Drehbewegung gegen die Drehrichtung zu führen, damit die ursprüngliche Blickrichtung beibehalten wird. Bevor nun die Augen ihren Maximalanschlag erreichen, erfolgt eine sehr schnelle ruckartige Bewegung in Richtung der Drehung, so daß die Drehbewegung überholt wird. Dann schließt sich wieder eine langsame Bewegung entgegen der Drehrichtung an.

Die langsame Phase wird vestibulär ausgelöst, wohingegen die schnelle Rückstellungsbewegung von der päpontinen Formatio reticularis ausgelöst wird. Bei vertikaler Körperdrehung um eine horizontale Achse, also Reizung des vertikalen Bogenganges, wird ein vertikaler Nystagmus ausgelöst.

Manche Autoren bezeichnen den vertikalen Nystagmus auch als rotatorischen Nystagmus, wogegen andere darunter den horizontalen, durch Drehung um die vertikale Körperachse ausgelösten Nystagmus verstehen.

Als postrotatorischer Nystagmus wird einstimmig derjenige Nystagmus beschrieben, der nach aprupten Stoppen einer Drehbewegung folgt.

Der Nystagmus wird nach der schnellen Komponente bezeichnet.

Weist die schnelle Phase nach rechts, handelt es sich also um einen Rechtsnystagmus.

Bezügl. optokinetischer Nystagmus und bzgl. Saccaden siehe Frage 30.

noch in dtp u. Artikel

dalen Endolymphströmung, wodurch ein perrotatorischer Linksnystagmus auftritt.

Beim Anhalten kommt es dagegen zu einem postrotatotischen Rechtsnystagmus.

Ich einnere an den Einsatz der Frenzel-Brille, da durch visuelle Fixation der vestibuläre Nystagmus u.U. unterdrückt, bzw. durch einen OKN überlagert werden könnte.

Interessant wäre meiner Meinung nach auch ein Vergleich des vestibulären

und des optokinetischen Nystagmus in folgendem Versuch:

Andrehen am Drehstuhl bei geschlossenen Augen – Drehung mit konstanter Geschwindigkeit – Öffnen der Augen bei gleichbleibender Geschwindigkeit – Schließen der Augen bei gleichbleibender Geschwindigkeit – apruptes Stoppen bei

geschlossenen Augen. Für standartisierte Bedingungen könnte dabei leicht gesorgt werden, indem man den Drehstuhl mit einer spanischen Wand mit Streifenmuster umgäbe. Globale Prüfungen der Stellmotorik im Bezug auf das Gleichgewichtsorgan wären weiters:

.) Stehen mit geschlossenen Augen (Romberg).

.) Auf der Stelle treten mit geschlossenen Augen (Unterberger).

.) Armhalteversuch – bei geschlossenen Augen werden die Arme nach vorne gestreckt (Beurteilung einer Abweichung bei der Arme nach der gleichen Seite).

.) Zeigeversuche

.) Zeichentests usw.

Diagramm, das die Dauer des Nystagmus in s, bzw. der Drehempfindung in s , in Beziehung setzen soll

(Nach einem Praktikumsskriptum der ÖH; 1984)

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4. Zusammenfassung

Der Vetibularapparat dient der Erhaltung des Gleichgewichtes, der Orientierung im Raum und der Registrierung aller Arten von Beschleunigung. Durch den vestibulo-cochleären Reflex wirtd das Gesichtsfeld bei Kopfbewegungen stabilisiert.

Für lineare Beschleunigung (Gravitation) sind die Maculea utriculi und Maculea sacculi verantwortlich (Otokonien oder Statolithen).

Die Bogengänge (Ampullae, cuplae) reagieren auf Winkelbeschleunigung.

Bei kurzen Winkelbeschleunigungen entsprechen die neuronalen Impulse aber nicht der Winkelbeschleunigung, sondern der Winkelgeschwindigkeit.

Bei langandauernden Drehbewegungen ensprechen sie der Winkelbeschleunigung (gleichbleibenden Drehung wirkt nicht als Reiz).

Die langsame Phase des vestibulären Nystagmus wird vestibulär ausgelöst. Für die schnelle Rückstellbewegung ist die präpontine Formatio reticularis verantwortlich.

Der Nystagmus wird nach der schnellen Komponente benannt. Er dient dazu ein fixiertes Bild während einer Drehbewegung des Kopfes im Blickfeld zu halten.

Bei der kalorischen Nystagmusüberprüfung kommt es bei Warmspülung zu einer utridulopedalen Auslenkung der Cupula und somit zu einem Nystagmus zur gespülten Seite.

Mit thermischer Methode kann die periphere erregbarkeit getestet werden. Ein Richtungsüberwiegen kann zentrale oder periphere Ursachen haben (weitere Prüfungen sind angezeigt).

Durch Trägheitsströmung der Endolymphe kommt es beim rotatotischen Nystagmus beim Andrehen nach links zu einem perrotatorischen Linksnystagmus, und nach dem Stoppen erfolgt ein postrotatorischer Rechtsnystagmus.

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5. Zwischenfragen

  • Wie kann ein Nystagmus ausgelöst werden?
  • Wie ist die Richtung des Nystagmus festgelegt?
  • In welche Richtung weist der Nystagmus beim Andrehen eines Drehstuhles?
  • Wozu wird der Nysatagmus überprüft?
  • Was bewirkt man durch Warmspülung bei der kalorischen Nystagmusüberprüfung?
  • Was ist der adäquate Reiz für die Maculaorgane?

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