Meine Katze zeigt das Burnout-Syndrom

(Last Updated On: 2. Mai 2011)

Ich hatte meine Tochter gewarnt, doch sie musste unbedingt Spielmäuse für Julia, unsere Katze besorgen. Das bringt doch ihren Jagdinstinkt, den Spieltrieb und das Vertrauen in uns durcheinander und frustiert sie, sagte ich, aber man hat nicht auf mich gehört und meinte noch, man tue dem armen Tier auch noch etwas gutes damit. Die arme Katze schien anfangs Freude daran zu haben, doch jetzt steht es sehr schlimm um sie, ich diagnostiziere eindeutig “Ausgebranntheit” und emotionale Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit, also das Burnout-Syndrom. Nehme ich ihr das Spiel aber weg, kommt es womöglich zum Boreout-Syndrom, was ja nicht weniger schlimm wäre. Bitte daher dringend um Rat oder um die Angabe der Adresse eines Katzenpsychiaters oder eines wirklich guten Katzenpsychotherapeuten? Aber bitte keinen normalen Tierarzt, der für alle Tiere und Krankheiten da sein soll (und zum Einschläfern usw.), denn Sie gehen doch auch nicht zu irgend einen praktischen Arzt, wenn sie ausgebrannt sind, oder wenn Ihnen krankhaft langweilig ist (Boreout-Syndrom), oder? Nein, da gehört man schon zu einen Pschoexperten, Seelenklempner oder Pfarrer. Bei schweren Fällen ist letzterer zu empfehlen, denn Dank seiner Verbindungen zu Gott, kann er als dessen Mittelsmann sogar noch etwas für die Seele tun, sollte mit dem Körper doch etwas schief laufen und eventuell einen längeren Aufenthalt in der Hölle abwenden. Außerdem hat dieser natürlich auf einer ganz anderen Ebene den wahrscheinlich effektivsten Zugriff auf ihre Psyche oder Seele und er kann mit der Auferlegung von ein paar „Vater unser“ oder Rosenkranz Bußgebeten und einer sanften Besprühung mit Weihwasser noch dazu eine homöopathische Meditations-Therapie anbieten.

Ich konnte alle Phasen nach Herbert Freudenberger beobachten:

  1. Drang, sich selbst und anderen etwas beweisen zu wollen. –
    Sie wollte unbedingt jede Spielmaus erwischen.
  2. Extremes Leistungsstreben, um besonders hohe Erwartungen zu erfüllen. –
    Das war ganz eindeutig gegeben.
  3. Überarbeitung mit Vernachlässigung anderer persönlicher Bedürfnisse und sozialer Kontakte. –
    Nicht einmal Kuscheleinheiten hat sie geleistet. Ich habe mich wirklich schon gefragt, wozu ich eine Katze habe.
  4. Überspielen oder Übergehen der inneren Probleme und Konflikte. –
    Ist ihr anfänglich noch recht gut gelungen, aber nach einigen Tagen täglich ein paar Stunden frustrierenden Mäusefangstress, konnte ich ihr den inneren Konflikt schon am Fell ansehen.
  5. Zweifel am eigenen Wertesystem und ehemals wichtigen Dingen wie Hobbys und Freunden. –
    Nicht einmal wenn “ich” die Mäuse wegzog reagierte sie noch freudig. Natürlich begann sie an ihremWertesystem zu zweifeln, wenn sie nämlich endlich eine Maus erwischte, die sie ihres Triebes wegen jagen musste, konnte sie die Kunststoffmaus nicht fressen. Das ist doch kein Spiel, sondern gemein und frustrierend.
  6. Verleugnung entstehender Probleme, zunehmende Intoleranz und Geringschätzung Anderer. –
    Sie schlich sich davon und wandte sich geringschätzig von uns ab, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.
  7. Rückzug und Vermeidung sozialer Kontakte auf ein Minimum. –
    Sie versteckte sich. Da wurde es schon einigermaßen traurig und bedenklich.
  8. Offensichtliche Verhaltensänderungen, fortschreitendes Gefühl der Wertlosigkeit, zunehmende Ängstlichkeit. –
    Ja, sie lief den Spielmäusen nicht mehr nach, sondern sogar davon.
  9. Depersonalisierung durch Kontaktverlust zu sich selbst und zu Anderen, das Leben verläuft zunehmen „mechanistisch“. –
    Mit bedauern musste ich auch diese Phase miterleben.
  10. Innere Leere und verzweifelte Versuche, diese Gefühl durch Überreaktionen zu überspielen (Sexualität, Essgewohnheiten, Alkohol und Drogen). –
    Fresssucht machte sich breit und die Wasserschüssel war ständig leer. Einmal urinierte sie sogar neben das Kisterl.
  11. Depression mit Symptomen wie Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung und Perspektivlosigkeit. –
    Ganz offensichtlich und ausgeprägt war die Gleichgültigkeit, aber auch Erschöpfung nahm ich war.
  12. Erste Selbstmordgedanken als Ausweg aus dieser Situation; akute Gefahr eines mentalen und physischen Zusammenbruchs. –
    Sie hat sich sehr gefährlich auf das Fensterbrett gewagt, was ich vor dem Spiel mit den Mäusen nie beobachtet hatte. Hoffentlich stürtzt sie sich nicht doch noch eines Tages hinunter.

Natürlich ist das nicht lustig, sondern traurig, genau so wie folgendes Zitat aus Wikipedia zu der neuen Modekrankheit des Ausbrennens ohne Feuer:

Dazu wurden nach David Myers einige Tierexperimente durchgeführt, deren Erkenntnisse auch auf Menschen übertragbar sind.[24] In einem Experiment wurden jeweils zwei Ratten dem gleichen Stress durch leichte Elektroschocks ausgesetzt. Das eine Tier hatte die Möglichkeit, die Stromschläge abzustellen, das andere aber nicht. Das Ergebnis: Die „hilflosen“ Ratten hatten eine signifikant ausgeprägte Immunschwäche und waren wesentlich anfälliger für Krebserkrankungen als die Tiere, die „glaubten“, sie könnten etwas gegen den dauerhaften Stress tun – obwohl beide Testgruppen der gleichen Belastung ausgesetzt waren.

Dabei haben weder die hilflosen, noch die sich zu helfen wissenden Ratten eine Ahnung von atomaren Bedrohung, Endlagerung ….. trotzdem kann man sie mit Stromstößen sogar krebskrank machen. Die geniale wissenschaftliche Erkenntnis: „die hilflosen Ratten signifikant leichter“. Interessant, wirklich eine geniale Welt mir einer genialen Wissenschaft und genialen Krankheiten. Ich werde höchstens krank von den geschäftstüchtigen, wissenschaftlichen Seelenheilern, die zwar die Psyche kennen, analysieren, in der Psychologie studieren und der Psychiatrie heilen, aber nicht einmal definieren können.
Sie wissen zwar nicht was sie studieren und was sie heilen können und sie wissen auch nicht einmal wie die Seele oder Psyche aussieht, wenn sie gesund ist, aber sie wissen jedenfalls, dass sie kassieren können, für die Behandlung der Ausgebrannten.
Oh, jetzt ist mir eine Glühbirne ausgebrannt, ich kann mir leider nichts mehr über das Boreout-Syndrom notieren. Nein, da hat nicht ein Besoffener Burnout-Syndrom falsch geschrieben. Das Burnout-Syndrom kann ähnliche Symptome wie das Boreout-Syndrom aufweisen. Dieser Begriff kommt aus dem englischen bore = langweilen und bezeichnet den Zustand beruflicher Unterforderung und Unzufriedenheit. Dieser Zustand kann von gleichzeitig hoher Geschäftigkeit und reduzierter Leistungsfähigkeit sowie emotionaler Erschöpfung begleitet sein, liest man ebenfalls auf Wikipedia.

Das Iostasie-Syndrom postuliere ich gerade jetzt. Es ist ganz furchtbar schlimm und tritt auf, wenn Menschen weder über- noch unterfordert sind. Sie können dann weder Höhen noch Tiefen erleben, keine Angst und keine Freude empfinden. Sie sind so absolut mittelmäßig, dass sie nicht einmal noch zum Selbstmord fähig sind und das schlimmste an Ihnen ist: „sie brauche keine Medikamente und können kaum behandelt werden“. Ich befürchte, dass die Wirtschaft großen Schaden erleiden könnte und wir unweigerlich in die nächste Weltwirtschafts- und Finanzkrise schlittern, wenn sich diese Krankheit verbreitet.

Nun, was soll ich aber nur mit meiner armen, kranken Katze machen? Kennt vielleicht nicht doch jemand einen vertrauenswürdigen Katzenpsychiater oder einen wirklich guten Katzenpsychotherapeuten? Geld spielt in diesem Fall keine Rolle, es geht ja schließlich um die psychische Gesundheit meiner Katze.

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